# taz.de -- Grünen-Politikerin über Geburtshilfe: „Ein Recht auf Begleitung“
       
       > Die Geburtshilfe werde von der Gesundheitspoltik vernachlässigt, sagt
       > Kirsten Kappert-Gonther. Vor allem müsste mehr für Hebammen getan werden.
       
 (IMG) Bild: Eine Hebamme trägt während der Untersuchung Schutzausrüstung, die immer noch Mangelware ist
       
       taz: Frau Kappert-Gonther, die Situation für Hebammen war schon vor der
       Krise schlecht. Hat sich diese Situation unter Corona verschärft? 
       
       Kirsten Kappert-Gonther: Tatsächlich sehen wir die bestehenden Probleme in
       der Geburtshilfe jetzt durch Corona wie im Scheinwerferlicht. Geburtshilfe
       wird nicht mitgedacht als relevanter Bereich des gesellschaftlichen Lebens.
       Freiberufliche Hebammen sind bis jetzt nicht unter den Rettungsschirm des
       Bundesgesundheitsministeriums aufgenommen worden. Sie haben auch keinen
       systematischen Zugang zu Schutzkleidung. Das ist vor allem für
       freiberufliche Hebammen bei der Vorsorge, bei Hausgeburten und bei
       Wochenbettbesuchen ein großes Problem. Ein weiteres Thema ist, [1][dass in
       manchen Kliniken Gebärende ihre Partner*innen nicht mitbringen dürfen.]
       
       Was müsste die Politik jetzt tun um die Lage zu entschärfen? 
       
       Hebammen müssen [2][Zugang zu Schutzkleidung] bekommen, um Schwangere und
       Mütter gut betreuen zu können. Mittlerweile ist die Abrechnung der
       Telefonbetreuung immerhin möglich, es muss aber sichergestellt werden, dass
       die Hebamme die Frauen und Babys, wenn nötig, besuchen kann. Die Ausweitung
       des Schutzschirms, der die durch Corona entstehenden Mindereinnahmen im
       Gesundheitswesen refinanziert, ist für Hebammen dringend nötig. Das wird
       sonst existenzbedrohend, weil die Honorare ohnehin niedrig sind und es kaum
       Rücklagen gibt. Für die Gebärenden muss sichergestellt werden, dass es
       keinen generellen Ausschluss von Begleitpersonen gibt.
       
       Gibt es Anzeichen dafür, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
       die nötigen Schritte einleiten wird? 
       
       Beim letzten Gesundheitsausschuss habe ich genau diese Punkte
       angesprochen, der Minister sicherte zu, er werde diese Themen „mitnehmen“.
       Der Rettungsschirm wird in Kürze noch einmal per Gesetz ausgeweitet. Wir
       Grüne werden einen Antrag einbringen, unter anderem für eine Ausweitung auf
       die Hebammen. Da braucht es unbedingt politischen und öffentlichen Druck.
       
       Macht die Opposition genug Druck oder sind alle Abgeordneten eher im
       Krisenmodus und weniger kritisch? 
       
       In der ersten Beratung im Bundestag unter Coronabedingungen war es
       sinnvoll, dass alle demokratischen Abgeordneten zusammengestanden haben.
       Bereits zum ersten Bevölkerungsschutzgesetz konnten wir wichtige Änderungen
       durchsetzen. Wir weisen laut auf Leerstellen hin. Ich mache für die
       Geburtshilfe und die Schwangeren Druck und bin damit durchaus nicht
       alleine. Dieser Druck ist nicht nur jetzt, sondern generell für die
       Verbesserung der Geburtshilfe notwendig.
       
       Sie haben schon angesprochen, dass Begleitpersonen teilweise der Zutritt
       zum Kreißsaal verwehrt wird. Ist es nicht unter
       Präventionsgesichtspunkten sinnvoll zu vermeiden, dass Menschen, die
       nicht im Krankenhaus sein müssen, eventuell Viren verbreiten? 
       
       Das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Eine Begleitperson kann
       Schutzkleidung tragen. Eine Geburt ist eine zentrale, besondere Erfahrung
       für die Mutter und wichtig für die Bindung von Mutter und Kind, aber auch
       von Vater oder Co-Mutter und Kind. Wenn Gebärende nicht gut begleitet sind
       und sich alleingelassen oder verunsichert fühlen, kann das eine Geburt
       unnötig verkomplizieren. Hebammen sind leider häufig für mehrere Geburten
       gleichzeitig zuständig, das kann sich durch höhere Krankenstände durch
       Covid-19 weiter verschärfen. Unter solchen Umständen kommt einer
       Begleitperson noch mehr Bedeutung zu. Für mich ist klar, dass die Gebärende
       ein Recht auf Begleitung und Unterstützung haben muss.
       
       4 May 2020
       
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