# taz.de -- Netflix-Doku über Profiradsportler: Die Straßenkämpfer
       
       > Team Movistar macht auf Netflix Werbung in eigener Sache – und verrät
       > dennoch Wesentliches über die Natur des Profiradsports.
       
 (IMG) Bild: Durchtriebener Altmeister: Movistar-Profi Alejandro Valverde im Weltmeister-Trikot
       
       Seit 40 Jahren macht Eusebio Unzué in Radsport. Der heute 65-Jährige war
       schon dabei, als sich 1980 der Reynolds-Rennstall in Spanien gründete.
       Unzués Radtruppe fuhr später unter den Namen Banesto, Illes Baleares und
       Caisse d’Epargne. Seit 2011 steht „Movistar“ auf den hellblauen Trikots der
       Equipe, die aktuell 28 Männer und elf Frauen unter Vertrag hat und den Etat
       eines kleineren Fußball-Bundesligisten verschlingen dürfte.
       
       Auf seine alten Tage ist Unzué noch einmal prominent ins Fernsehen
       gekommen. Netflix strahlt eine [1][Mini-Dokuserie] über das Team aus, einen
       sechsteiligen Streifen, den Telefónica, Mutterunternehmen von Sponsor
       Movistar, selbst produziert hat. Das klingt nach PR in eigener Sache, nach
       einem unjournalistischen Machwerk. Das ist es auch, aber nur zum Teil.
       
       Eusebio Unzué ist einer der wenigen Protagonisten in dieser Doku, die
       grundsätzlich sympathisch wirken. Er tritt als Elder Statesman in
       Erscheinung, als väterlicher Berater, der bisweilen den Verfehlungen seines
       Personals mit verblüffender Nachsicht begegnet – mit einer Milde, die dem
       mittleren Management um die ehemaligen Radprofis José Luis Arrieta, José
       Vicente Garcia oder José Luis Laguia fast völlig abgeht.
       
       ## Videoclip-Ästhetik
       
       Sie sind die Kettenhunde, die Antreiber einer Mannschaft, die gespickt ist
       mit Stars und an dieser Konstellation im Jahr 2019 zu zerbrechen droht. Da
       ist zum einen der [2][dopingerfahrene Altmeister Alejandro Valverde], der
       in diesem Monat 40 wird, aber immer noch so erfolgshungrig ist wie ein
       Junger, da sind aber auch die Siegfahrer Mikel Landa, Nairo Quintana und
       Shooting Star Richard Carapaz.
       
       Ihre Scharmützel, die versteckten Spitzen, das geheuchelte Lob und die
       offenen Animositäten zwischen den Podiumfahrern machen die Serie trotz der
       nervigen Videoclip-Ästhetik und des unentschlossenen Storytelling zu einer
       ganz interessanten Dokumentation. Natürlich wurde viel gefiltert, aber
       selbst nach dieser Auslese wird deutlich, wie sehr sich die Radprofis vor
       allem während der Tour de France beharken.
       
       Ein Betreuer sagt sogar, im Teambus hätten Zustände „wie in einem
       Bürgerkrieg“ geherrscht. Schuld daran waren aber nicht nur die Ambitionen
       des stets zweifelnden Landa, des melancholischen Quintana, des frechen
       Carapaz und des machiavellihaften Valverde, sondern die stets unklare
       Hackordnung im Team. Wenn nicht sicher ist, wer als Leader in den Giro
       d’Italia geht, in die Frankreich-Rundfahrt oder die Vuelta a España, dann
       kommt es logischerweise zum Hauen und Stechen. Dann versuchen die Fahrer
       die unklaren Hierarchien auf der Straße hart auszukämpfen.
       
       ## Fahren auf Verschleiß
       
       Diesen Straßenfight inszeniert die Serie ganz ordentlich. Es ist nichts
       anderes als ein brutales Survival of the Fittest, was da – vielleicht
       ungewollt – zur Aufführung kommt. Es wird zwar in diesen drei Stunden auch
       viel über den angeblich so tollen Zusammenhalt im Team geredet,
       nichtsdestotrotz verfestigt sich der Eindruck, dass der Radsport streng
       militärisch organisiert ist und sein „Menschenmaterial“ recht rücksichtslos
       an die Front der Bergpässe schickt. Wasserträger haben Dienst zu tun, und
       allzu Ehrgeizige wie der Spanier Marc Soler werden auch schon mal, an der
       Spitze liegend, brutal zurückgepfiffen und später gemaßregelt.
       
       Man sollte sich vom Charismatiker Unzué nicht einlullen lassen, Team
       Movistar ist eine mit allen Wassern gewaschene Stoßtruppe, die dem Erfolg
       alles unterordnet. Nicht umsonst hat der Rennstall im vergangenen Jahr die
       Mannschaftswertung aller drei großen Rundfahrten gewonnen – und Carapaz den
       Giro d’Italia. Aber dieses hochtourige Programm läuft auf Verschleiß. Es
       verwundert nicht, dass nach der aufreibenden Saison 2019 gleich drei Stars
       die Flucht ergriffen haben: Quintana (Arkéa-Samsic), Landa
       (Bahrain-McLaren) und Carapaz (Ineos). Sie wollen anderswo ungestört Chef
       sein.
       
       Eusebio Unzué beunruhigt das nicht. Er hat in Enric Mas schon wieder ein
       vielversprechendes Talent an der Angel.
       
       20 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.netflix.com/de/title/81130094
 (DIR) [2] https://www.dopeology.org/people/Alejandro_Valverde/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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