# taz.de -- Russlands Wirtschaft und Corona: Jeder kämpft für sich
       
       > Die Folgen von Corona werden vor allem kleinere und mittlere Betriebe
       > treffen. Makroökonomisch hingegen steht Moskau derzeit gut da.
       
 (IMG) Bild: Social Distancing in der Moskauer U-Bahn
       
       Moskau taz | Hundert Milliarden Rubel (1,2 Mrd. Euro) will die russische
       Regierung noch in dieser Woche als Hilfe für kleine und mittlere Betriebe
       auszahlen, um die Engpässe der Krise zu umschiffen. Darunter fallen Firmen
       aus der Tourismusbranche, aus Kultur, Sport, Unterhaltung und Gastronomie.
       Garantien für die Kredite übernimmt der Staat. Insgesamt ist gar ein
       Hilfspaket von 300 Milliarden Rubel vorgesehen.
       
       Im Vergleich zu den Nothaushalten in den USA und in der EU nehmen sich
       diese Überbrückungshilfen jedoch bescheiden aus. Beobachter vermuten denn
       auch, die russische Mittelschicht könnte letztendlich die Hauptlast tragen.
       
       Am letzten Abend vor den [1][Corona-Zwangsferien], die der Kreml dem Land
       bis Ende April verordnete, ist die Stimmung im sonst pulsierenden
       Vergnügungsviertel im Zentrum der Hauptstadt um die Maroseika Straße denn
       auch gedämpft. Zumindest unter der Belegschaft des “ekspromt“. Gerade
       einmal zehn Gäste haben sich eingefunden.
       
       „Wir wissen nicht, wie es weiter geht“, sagt die junge Bedienung Anna. „Ob
       das Restaurant nach der Auszeit weitermacht, wer weiß das schon“? Auch die
       anderen Servicekräfte, alle Mitte zwanzig, zucken mit den Schultern. Mal
       schauen, ist die reflexhafte Antwort. Russland werde ja immer mal wieder
       von Schicksalsschlägen heimgesucht.
       
       ## Keine größeren Rücklagen
       
       Im Unterschied zu den Forderungen des Kreml, den Mitarbeitern trotz
       Zwangsferien Löhne zu zahlen, gehen die Angestellten in der Maroseika leer
       aus. Sie erwarten vom Arbeitgeber keine Unterstützung. Jeder kämpfe wieder
       für sich allein, meint Anna. Auch die meisten Restaurantbetreiber verfügten
       nicht über größere Rücklagen.
       
       Beobachter rechnen mit der Schließung eines Drittels aller privaten
       kleineren und mittleren Betriebe im Laufe der nächsten Monate. „Am Ende
       wird Moskau nicht mehr so eine abwechslungsreiche Stadt sein“, sagt Anna.
       
       Vor dem Hintergrund, dass der Preis für ein Barrel Öl weit unter 30 Euro
       rutschte, der Rubel fast ein Drittel des Werts seit Jahresbeginn einbüßte
       und Moskau sich noch einen Preiskrieg mit Saudi-Arabien ums Öl leistet,
       bleibt Russland ziemlich nüchtern. Drum herum werden Rettungspakete
       geschnürt. Alte Auflagen wie die schwarze Null, bislang das Mantra der
       deutschen Bundesregierung, dürfen inzwischen missachtet werden.
       
       Gelingt es Moskau, sich aus dem Debakel herauszuhalten? Russland hat in den
       vergangenen Jahren nichts für die Modernisierung der Wirtschaft
       unternommen. Dennoch ist seine Ökonomie unempfindlicher geworden. Seit der
       Annexion der Krim 2014 und dem Krieg in der Ukraine sah Moskau sich
       genötigt, sich weiter auf sich selbst zurückzuziehen. Wachstumspolitik war
       nicht mehr das Ziel. Vielmehr galt es, Russland gegen Verwerfungen der
       Weltwirtschaft abzusichern.
       
       ## Mehr Eigenproduktion
       
       Russische Firmen mussten sich nach 2014 entschulden, da der Kapitalmarkt
       wegen westlicher Sanktionen für Moskau nicht mehr zugänglich war. Dies ging
       auch einher mit der Steigerung heimischer Landwirtschaftsproduktion. Gerade
       mal 24 Prozent der Lebensmittel werden noch importiert.
       
       Noch wichtiger ist indes: Immense Rücklagen sorgen in Moskau für
       Entspannung. Russland verfügt über mehr als 500 Milliarden Euro Rücklagen
       und besitzt überdies noch die größten Goldreserven der Welt.
       
       Selbst die Rubelabwertung um fast ein Viertel seit Jahresbeginn schlägt
       noch positiv zu Buche: Der günstigere, niedrigere Rubelkurs fängt die
       Verluste auf, die der gefallene Ölpreis verursacht. Der heimische Markt
       profitiert vom gesunkenen Umtauschkurs.
       
       Kleine und mittlere Betriebe haben ohnehin schon einen schweren Stand. Ihr
       Anteil ist in den vergangenen Jahren bereits deutlich geschrumpft.
       
       ## Kein Kollaps
       
       Die Zeitung RBK ermittelte, welche Verluste die arbeitsfreie Zwangspause
       für kleine und mittlere Betriebe in Moskau bedeutet. Ein geschlossenes
       Blumengeschäft verliert 30 bis 45 000 Rubel (350-500 Euro) am Tag, ein
       kleines Cafe im Zentrum büßt zwischen 100 und 200000 Rubel ein. Einem
       Schönheitssalon gehen 50 bis 100000 Rubel verloren. Ohne staatliche
       Unterstützung halten die meisten Betriebe nur kurze Zeit durch.
       
       Der Wirtschaftswissenschaftler Ruben Enikolopow sieht dennoch keinen
       ökonomischen Kollaps heraufziehen. Viele verlören zwar den Job oder gleich
       kleinere Firmen. Die sozialen Konsequenzen seien jedoch schwerwiegender als
       die makroökonomischen Auswirkungen, meint Enikopolow.
       
       3 Apr 2020
       
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