# taz.de -- TV-Debatte Biden gegen Sanders: Sanders punktet, Biden gewinnt
       
       > Das Coronavirus bestimmt auch die Debatte der demokratischen
       > Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Bernie Sanders in den USA.
       
 (IMG) Bild: Sieht nur so mittelcool aus: Ellbogen-Check der Kandidaten Joe Biden (l.) und Bernie Sanders
       
       New York taz | Alles ist anders, als am Sonntagabend [1][Joe Biden] und
       Bernie Sanders in der US-Hauptstadt zusammentreffen. Die beiden Demokraten
       stehen allein auf der Bühne, fast zwei Meter voneinander entfernt. Es gibt
       kein Publikum, keinen Applaus und keine Buhrufe.
       
       Und eine Minute vor Beginn der Debatte am Sonntagabend, als die Zahl der
       Corona-Virus-Infizierten in den USA auf 3.486 und die Zahl der Toten auf 66
       gestiegen ist, lässt die Gesundheitsbehörde CDC eine Bombe platzen. Sie
       verkündet, dass wegen der Pandemie ab sofort alle Veranstaltungen mit mehr
       als 50 TeilnehmerInnen untersagt sind. Weitere radikale Schritte, darunter
       auch Reiseverbote im Inneren der USA, könnten folgen.
       
       Die Pandemie bestimmt den Ton der Auseinandersetzung der beiden letzten
       Männer im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Beide
       kommen in dunklen Anzügen, begrüßen sich per Ellbogenschubs und machen
       klar, dass der Präsident angesichts des Virus versagt hat. „Wir müssen
       diesen Präsidenten zum Schweigen bringen“, sind die ersten Worte von Bernie
       Sanders in der zweistündigen Debatte, „sein Geplapper ist inakzeptabel.“
       
       Dann beschreibt Sanders seine „Medicare for all“-Initiative, die staatliche
       Krankenversicherung für alle. Er verspricht, dass seine Regierung sämtliche
       Kosten für die Opfer der Pandemie übernimmt – von den Tests über die
       Behandlung bis zu Lohnausfällen. Und dass er als Präsident die Schließungen
       von ländlichen Krankenhäusern rückgängig machen und den Preiswucher der
       Pharmaindustrie – „eine Verbrecherbande“ – beenden wird. Allen
       Virus-Betroffenen sagt Sanders zu: „Macht euch keine Sorgen über die
       Kosten. Wir sind eine zivilisierte Nation.“
       
       ## Alles spricht für Sanders – aber Biden gewinnt
       
       Die dramatische Eskalation der Gesundheitskrise in den USA, von der
       Pannenserie bei den Tests über den Mangel an Intensiv-Betten, an
       Beatmungsgeräten und Personal bis hin zu den prohibitiven Behandlungs- und
       Medizin-Kosten in den USA – all das scheint Sanders recht zu geben.
       
       Auch die existenziellen Ängste, die jetzt die Mehrheit der Beschäftigten in
       den USA umtreiben – unzureichende Krankenversicherungen, kein Anspruch auf
       Krankentage, keine Lohnfortzahlung, seit Jahrzehnten stagnierende Reallöhne
       und keine Sparrücklagen et cetera –, sind exakt die Themen, mit denen sich
       Sanders profiliert hat. Der „demokratische Sozialist“ ist derjenige, der
       den Kampf für soziale Gerechtigkeit zum Hauptthema der DemokratInnen
       gemacht hat. Und derjenige, der die konkretesten Vorstellungen zu allen
       Punkten hat.
       
       Dennoch ist Biden und nicht Sanders am Sonntagabend der Gewinner der
       Debatte. Biden, der bei den vorausgegangenen Debatten so oft gestottert und
       den roten Faden verloren und der immer wieder wie abwesend dabei gestanden
       hat, während die anderen DemokratInnen debattierten, wirkt so selbstbewusst
       wie nie zuvor.
       
       Sanders hält dem ehemaligen Vizepräsidenten seine politischen Fehler der
       Vergangenheit vor – vom Votum für den Irakkrieg über seine langjährigen
       Versuche, die Leistungen der Sozialversicherung zu kürzen, von den
       Freihandelsverträgen in Nordamerika und Asien bis hin zum Festhalten an
       privaten Krankenversicherungen. Aber Biden lässt ihn abblitzen.
       
       ## Biden will eine Frau als Vizepräsidentin
       
       Bei früheren Debatten hat Biden darauf geachtet, sich hinter Barack Obama
       und hinter seiner achtjährigen Arbeit als dessen Nummer zwei zu verstecken.
       Aber an diesem Sonntag will er nicht mehr über die Vergangenheit reden.
       Oder allenfalls, um zu bestreiten, dass Sanders recht hat – trotz Videos
       und Artikeln, die das Gegenteil beweisen.
       
       Biden hat am 29. Februar die Vorwahlen in South Carolina und wenige Tage
       später die [2][Mehrheit der Delegierten in zehn Bundesstaaten] gewonnen. Er
       hat damit zwar noch nicht die Nominierung in der Tasche, aber er gibt sich
       bereits als der nächste Präsident der USA.
       
       Er äußert Mitgefühl mit den Opfern, verspricht allen seine Hilfe und sagt,
       wo er als Präsident sitzen würde, während Trump gestikuliert: im Situation
       Room. Dort würde Biden „täglich auf die Wissenschaftler und ihren Rat“
       hören. Er sei ein Macher, die Wähler wollten „Lösungen, keine Revolution“,
       meint er.
       
       Dann zieht Biden seine Trümpfe des Abends aus der Tasche. Er verspricht,
       dass seine Nummer zwei eine Frau werden wird. Er verspricht, dass er die
       erste schwarze Frau ans oberste Gericht schicken wird. Und er macht sich
       zwei Anliegen der ausgeschiedenen Senatorin Elizabeth Warren zu eigen, die
       er zuvor für unrealistisch gefunden hat. Plötzlich will auch Biden die
       Streichung privater Schuldenlasten – inklusive Studienschulden –
       erleichtern und die Gebühren an öffentlichen Universitäten abschaffen.
       
       ## Coronavirus: Wahlkampf ohne Öffentlichkeit
       
       Die Namen seiner Frauen für die Spitzenämter oder die Details seiner Pläne
       nennt Biden nicht. Er will Frauen und Linke für sich gewinnen. Aber er will
       sich auf keine Diskussion mit Sanders einlassen.
       
       Beide Kandidaten machen klar, dass sie den jeweils anderen unterstützen
       werden, falls er die Nominierung bekommt. Und beide versprechen, dass sie
       Trump ablösen werden. Aber Sanders, der rein rechnerisch immer noch die
       Nominierung gewinnen könnte, weist auf die Schwächen von Biden. Seine
       Abhängigkeit von Spenden aus Pharmaindustrie, Mineralölindustrie und Wall
       Street. Seine halbherzige Klimapolitik, zu der auch die Weigerung gehört,
       das Fracking zu verbieten. Und seine enge Zusammenarbeit mit autoritären
       und kriegerischen Regimen wie Saudi-Arabien. „Er macht es hart für mich“,
       sagt Biden, als ein Moderator ihn fragt, wie er es schaffen will, die
       mehrheitlich jungen AnhängerInnen von Sanders für sich zu gewinnen.
       
       Während die beiden Männer in einem Studio von CNN in Washington
       diskutieren, stellt sich ihr Land auf mindestens acht Wochen Rückzug ins
       Private ein. Nach langem Zögern hat New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio
       am Sonntagabend auch entschieden, alle Schulen zu schließen. Bars und
       Restaurants in der „Stadt, die nie schläft“, dürfen keine Gäste mehr an
       ihren Tischen bedienen. Und an diesem Dienstag wird zum ersten Mal in der
       Geschichte die Sankt Patricks Parade in New York ausfallen.
       
       Die Männer, die im November ins Weiße Haus gewählt werden wollen, müssen
       ihre Kampagnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen. Die nächsten
       Vorwahlen sind am Dienstag in den Bundesstaaten Florida, Arizona, Illinois
       und Ohio. Georgia und [3][Lousiana], die eigentlich auch hätten wählen
       sollen, haben ihre Vorwahlen wegen des Coronavirus in die Monate Mai und
       Juni verschoben.
       
       16 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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