# taz.de -- Corona in Großbritannien: Wieder ein Sonderweg
       
       > London sieht keinen Grund, alle Massenveranstaltungen abzusagen. Dabei
       > setzt die Regierung auf die Expertise von Wissenschaftlern.
       
 (IMG) Bild: Mit Schutzmaske auf der Westminster-Brücke, London, am 5. März
       
       London taz | „Die Absage von großen Sportveranstaltungen ist als
       Schlagzeile aufsehenerregend, der Effekt ist jedoch gering.“ Mit diesen
       Worten zitierte die BBC den hauptverantwortlichen wissenschaftlichen
       Berater der britischen Regierung, Sir Patrick Vallance, am Freitagmorgen.
       
       Auf einer Pressekonferenz von Premierminister Boris Johnson, Vallance und
       dem medizinischen Regierungsberater einen Tag zuvor bewies Großbritannien
       wieder einmal seinen Willen, auch bezüglich [1][Covid-19] einen eigenen Weg
       zu beschreiten.
       
       Johnson erklärte, dass viele Familien ihnen nahestehende Menschen verlieren
       würden. Dennoch verlasse sich seine Regierung auf die Expertise von
       Wissenschaftlern. Im Klartext: Große Veranstaltungen dürfen weiter
       stattfinden.
       
       Die Brit*Innen wurden stattdessen am Donnerstag aufgerufen, sich sieben
       Tage lang selbst zu isolieren, wenn sie an einem länger anhaltenden Husten
       leiden oder über 37,8 Grad Fieber haben. Sie sollten sich dabei nur dann an
       die Notdienste wenden, wenn sich die Beschwerden stark verschlimmerten.
       Schulreisen ins Ausland seien jedoch genauso abzusagen wie Schiffsreisen
       von älteren Personen.
       
       ## Ausmaß senken
       
       Der Höhepunkt der Epidemie werde in Großbritannien erst in 10 bis 14 Wochen
       erwartet. Bei den Maßnahmen gehe es jetzt vor allen darum, das Ausmaß der
       Epidemie bis zu diesem Zeitpunkt um 20 bis 25 Prozent zu senken und sie so
       länger hinauszuzögern, sagte Vallance.
       
       Die britische Regierung wird heftig kritisiert – auch von dem ehemaligen
       konservativen Gesundheitsminister Jeremy Hunt. Er forderte, Maßnahmen wie
       in China und Thailand zu ergreifen und den Besuch von Altersheimen zu
       verbieten.
       
       Doch Vallance selbst beließ es bei Empfehlungen. „Eine kranke Person steckt
       auf großen Veranstaltungen nur ein bis drei Personen an und damit nicht so
       viele wie innerhalb der Familie und im Freundeskreis“, erklärte er. Die
       Ansteckungsgefahr sei in Kneipen und anderen geschlossenen Räumen viel
       höher. Schulschließungen könnten dazu führen, dass Kinder bei den
       Großeltern landen, Menschen, die mit am stärksten gefährdet seien, sagte
       er.
       
       Bei der Entscheidung stütze sich die Regierung auf Studien über
       menschliches Verhalten, die zeigten, dass Menschen gegenüber Auflagen
       nachlässig würden und diese dann nicht mehr befolgten. Die Festsetzung des
       richtigen Zeitpunkts für härtere Maßnahmen sei deshalb von immenser
       Wichtigkeit, sagte Vallance.
       
       ## Bislang zehn Tote
       
       Zu Absagen kam es dennoch. Nicht nur parteipolitische Großveranstaltungen
       wurden gecancelt, sondern auch die meisten Fußballspiele. Am späten Freitag
       Nachmittag entschied die Welsh Rugby Union, das für Samstag vorgesehen
       Six-Nations-Match zwischen Wales und Schottland in Cardiff abzublasen. Den
       London-Marathon, der eigentlich am 26. April stattfinden sollte, haben die
       Veranstalter nun auf den 4. Oktober verlegt. Auch wurde am Freitag
       entschieden, dass die Kommunalwahlen – ursprünglich für im Mai geplant – um
       ein Jahr verschoben werden. Für Abschlussprüfungen in Schulen ist das noch
       nicht entschieden.
       
       Laut Schätzungen sind zwischen 5.000 und 10.000 Personen in Großbritannien
       erkrankt, 20 befinden sich auf Intensivstationen. Die Zahl der Todesfälle
       lag am Freitagmorgen bei 10.
       
       13 Mar 2020
       
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