# taz.de -- Zu, aberdoch da
> Schon am 11. März legte Kultursenator Klaus Lederer die Berliner Bühnen
> still. Eine kleine Nachfrage, wie die Stimmung unter den Betroffenen ist
(IMG) Bild: Glückliche Zeiten mit Spielbetrieb: „Die Lücke im Bauzaun“ 2019
Von Esther Boldt
Die Theater waren die Ersten, die die Eindämmung des öffentlichen Lebens in
Deutschland traf: Am 11. März kündigte Kultursenator Klaus Lederer die
temporäre Stilllegung der Berliner Bühnen an, wenige Tage später wurde
bundesweit der Spielbetrieb eingestellt – vorerst bis zum 19. April. Wie
ist die Stimmung bei jenen, die sonst stets in der Öffentlichkeit stehen,
die stets eine Öffentlichkeit schaffen? Wie stellen sich kleinere Theater
und freie Gruppen dieser ungewöhnlichen Situation?
„Für alle Kinder- und Jugendtheater ist es eine ganz dramatische Lage, die
existenzbedrohend werden kann“, stellt Philipp Harpain, Leiter des
legendären Grips-Theaters, fest. Denn sie müssen einen prozentual höheren
Anteil der Betriebsausgaben über Eintrittsgelder einspielen, beim Grips
sind das etwa 80.000 bis 90.000 Euro im Monat. Nun fallen über 40
Vorstellungen aus. Um Kosten zu sparen, beantragte das Haus Kurzarbeit.
Zugleich sollen die Freischaffenden so gut wie möglich unterstützt werden,
Honorare für längerfristig geplante Projekte auch ausgezahlt werden. Denn
die unzähligen Selbstständigen, die den Theaterbetrieb am Laufen halten,
sind hier wie anderswo die schwächsten Glieder in der Kette.
Bis zum Ende der Spielzeit standen noch vier Premieren auf dem Spielplan,
was davon realisiert werden kann, steht in den Sternen. In dieser Situation
müsse man in der Lage sein, meint Harpain, „schnelle, gute Entscheidungen
zu treffen. Und sich trotz allem nicht unterkriegen lassen.“ Die Zukunft
des Grips erscheint gerade alles andere als gewiss. Harpain aber ist im
engen Dialog mit dem Senat und zuversichtlich, dass Lösungen gefunden
werden. In der Zwischenzeit weicht das Theater in die sozialen Medien aus,
wo nun erzählt und gesungen wird. „Wir sind zu, aber wir sind da“, meint
der Theaterleiter.
In den virtuellen Raum haben sich vorerst auch die Proben von „From Horror
till Oberhausen“ verlagert, die Anfang der Woche begannen. Das Stück der
Berliner Theatergruppe Fux – bestehend aus Nele Stuhler und Falk Rößler –
soll Mitte Mai am Theater Oberhausen Premiere haben. Vorerst aber treffen
sie Schauspieler*innen und Musiker*innen per Videochat, und stellen
ihnen Aufgaben, an denen sie selbstständig weiterarbeiten können.
„Normalerweise sitzen wir in den ersten zwei Wochen alle zusammen am Tisch
und überlegen, worüber man auf der Bühne sprechen könnte“, erzählt Stuhler.
„Jetzt versuchen wir eine Arbeitspraxis zu finden, die jede*r von zu Hause
aus machen kann.“ Dabei müssen sie allerdings zweigleisig fahren:
Einerseits so proben, als sei gewährleistet, dass die Premiere im Theater
stattfinden kann. Und andererseits bereits Alternativen entwickeln. Hierfür
denken sie über neue Formate nach, einen Film beispielsweise. Jedoch:
„Natürlich ist die Gesundheit der Menschen das Wichtigste“, sagt Rößler.
„Aber ich finde es wichtig, alternative Formen der Versammlung zu
ermöglichen.“ Denn die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus träfen das
Theater „ins Mark: weil sich hier eben Menschen versammeln“. So schwankt
das Duo zwischen dem kreativen Reiz der Herausforderung und tiefen
Zweifeln: „Was soll man denn tun, wenn es länger dauert? Ich kann ja nur
Theater“, bringt Nele Stuhler es auf den Punkt.
Auch She She Pop, eines der bekanntesten Performancekollektive
Deutschlands, sucht in diesen Tagen nach Alternativen. Viele seiner
Gastspiele wurden bereits abgesagt. „Die Situation ist sehr unklar“,
erzählt Johanna Freiburg von She She Pop. „Wir versuchen mit den
Veranstaltern, national wie international Lösungen zu finden. Viele bemühen
sich zu ermöglichen, dass die Gelder nach wie vor fließen können, aber es
kommt voraussichtlich zu ziemlich hohen Ausfällen.“ Von diesen seien nicht
nur die Performer*innen betroffen, sondern auch all die freien
Mitarbeiter*innen, die nicht bezahlt werden können, wenn es keine
Ausfallhonorare gibt – freie Techniker*innen beispielsweise oder
Garderobieren. „Das ist für viele existenziell“, stellt Freiburg klar. Die
Folgen des Coronavirus machen auch die Fragilität eines Wirtschaftssystems
sichtbar, das immer mehr Verantwortung an Einzelne delegiert. Gerade hat
der Bund Soforthilfen von bis zu 50 Milliarden Euro für kleine Unternehmen
und Solo-Selbstständige zugesagt, Details der Vergabe sind noch keine
bekannt.
Es müsse aber, findet Freiburg, nicht nur darum gehen, den Notstand zu
überbrücken – sondern auch darum, eine Zukunft möglich zu machen. Theater
müssten handlungsfähig bleiben, um beispielsweise Verträge für den Herbst
abzuschließen. Denn so schnell die Theater geschlossen wurden, von einem
Tag auf den anderen, so schnell werden sie nicht wieder öffnen können. Das
derzeit vielzitierte Fahren auf Sicht mag für den Moment das Richtige sein.
Planbarkeit aber darf es nicht ausschließen.
25 Mar 2020
## AUTOREN
(DIR) Esther Boldt
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