# taz.de -- heute in hamburg: „Den Menschen auf Augenhöhe begegnen“
       
       Interview Anastasia Trenkler
       
       taz: Herr Siefert, Sie haben im Jahr 1991 gemeinsam mit Obdachlosen auf dem
       Kemal-Altun-Platz gelebt. Wie war das? 
       
       Thorsten Siefert: Wir hatten eine sehr intensive Zeit. Gemeinsam mit meinen
       Mitstreitern Frank Uphus und Martin Zeschke habe ich dort einige kalte
       Februarnächte verbracht. Obwohl den Bewohner*innen des Platzes bewusst war,
       dass wir wieder wegziehen würden, haben sie uns an ihrem Alltag teilhaben
       lassen. Wir führten viele sehr ehrliche Gespräche – das zeigen auch die
       Video-Interviews.
       
       Daraus ist ein Dokumentarfilm entstanden. Wie kam das? 
       
       Als Student habe ich in der Nähe des Platzes gewohnt. Meine Kollegen und
       ich hatten die Idee, das Leben der Obdachlosen filmisch zu begleiten. Ich
       erzählte den Bewohner*innen von unserem Plan. Sie waren einverstanden,
       glaubten aber nicht, dass wir es ernst meinten. Das änderte sich erst, als
       wir unser Zelt aufbauten.
       
       Was wollten Sie mit Ihrem Film erreichen? 
       
       Uns war wichtig, die Umstände aufzuzeigen unter denen die Menschen dort
       lebten. Dabei wollten wir nicht von außen mit der Kamera draufhalten,
       sondern den Menschen möglichst auf Augenhöhe begegnen. Wir sprachen auch
       mit Passant*innen und einem bürgernahen Polizisten über ihre Eindrücke. Mit
       unserer eigenen Meinung hielten wir uns dagegen zurück.
       
       Mehr als 20 Jahre später zeigen Sie den Film erneut. Warum? 
       
       Die Geschichte mag alt sein, die Inhalte sind aber nach wie vor relevant
       und haben nicht an Aktualität verloren.
       
       Inwiefern? 
       
       Im Prinzip hat sich an der Situation der Obdachlosen in Hamburg nicht viel
       geändert. Es gibt immer noch kein richtiges Angebot für vernünftigen
       Wohnraum. Klar, es existieren Projekte, aber einige Gründe, warum diese nur
       selten in Anspruch genommen werden, haben sich seither nicht verändert: Die
       Berührungsängste zwischen staatlichen Behörden und den Obdachlosen sind
       nach wie vor groß.
       
       Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern? 
       
       Die Streetworker*innen sind chronisch unterbesetzt. Es braucht mehr
       Zuwendung und Finanzierung. Im Moment beobachte ich, dass die Stadt sehr
       darauf erpicht ist, die Obdachlosen aus dem Zentrum Hamburgs zu drängen.
       Sie verschwinden so aus dem Sichtfeld. Eine Lösung der Umstände ist das
       aber nicht.
       
       26 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anastasia Trenkler
       
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