# taz.de -- Regierungsbildung im Libanon: Über 200 Verletzte bei Protesten
       
       > Demonstrant*innen belagern das Parlament – sie wollen die Bestätigung der
       > Regierung verhindern. Die Polizei reagiert mit Tränengas und
       > Wasserwerfern.
       
 (IMG) Bild: Demonstrationen in Beirut
       
       BEIRUT taz | Hohe Betonklötze reihen sich aneinander und sperren die
       Zufahrtsstraßen rund um das libanesische Parlament in Beirut ab. Die Mauern
       zwischen dem Volk und ihren Vertreter*innen sollen verhindern, dass sich
       die Menschen unerlaubt Zugang zum Parlament verschaffen. Denn
       Demonstrierende blockierten am frühen Dienstagmorgen die Straßen rund um
       das Parlamentsgebäude. Sie wollten verhindern, dass die Abgeordneten zu
       einer Sitzung ins Parlament gelangen, um dort der neuen Regierung ihr
       Vertrauen auszusprechen.
       
       Der Libanon befindet sich in einer tiefen Wirtschafts- und Politikkrise.
       Seit dem 17. Oktober protestieren die Libanes*innen gegen Korruption und
       Misswirtschaft, die das Land an den Rand des Staatsbankrotts gebracht
       haben. Als Antwort auf die Proteste trat Ministerpräsident Saad Hariri am
       29. Oktober zurück.
       
       Als Hariris Nachfolger ernannte Präsident Michel Aoun den ehemaligen
       Professor für Elektrotechnik, Hassan Diab. Dieser hatte am 21. Januar sein
       neues Kabinett vorgestellt, darunter viele unbekannte Technokrat*innen. Der
       ernannten Riege muss jedoch noch im Parlament das Vertrauen ausgesprochen
       werden.
       
       Während Diab drinnen mit einer Powerpoint-Präsentation seine politische
       Absichtserklärung vorstellte, gerieten Polizei und Protestierende außerhalb
       des Parlamentsgebäudes aneinander. Wie Videos auf dem Nachrichtendienst
       Twitter zeigen, [1][bewarfen Protestierende die Autos von Abgeordneten mit
       Steinen] und Farbe, auf das Fahrzeugheck des Umweltministers schmierten sie
       rohe Eier. Einige entfernten einen Betonklotz und zündeten eine Bankfiliale
       an.
       
       ## Protestierende wollen Neuwahlen
       
       [2][Die Polizei reagierte mit Wasserwerfern] und Tränengas. Dabei
       attackierte sie [3][auch Journalist*innen direkt mit Tränengas] und
       Gummigeschossen. Wie das libanesische Rote Kreuz mitteilte, wurden 39
       Menschen verletzt ins Krankenhaus gebracht und rund 240 Menschen an Ort und
       Stelle behandelt. Der Abgeordnete Salim Saadeh wurde [4][bei einem Angriff
       auf sein Auto verletzt] und ins Krankenhaus gebracht, wo seine Wunden im
       Gesicht genäht wurden.
       
       Das Vertrauen der Menschen auf den Straßen [5][konnte die designierte
       Regierung von Anfang an nicht gewinnen.] „Wir sind total gegen diese dumme
       Regierung“, sagte die 22-jährige Jana Yousef damals der taz. Sie hatte
       gleich am Tag der Bekanntgabe vor der Absperrung am Parlament protestiert.
       „Die verteilen immer noch die Macht untereinander. Das ist überhaupt nicht
       das, wonach wir verlangt haben.“
       
       Mit dem Vertrauensausspruch könnte die Regierung bis zu den nächsten Wahlen
       im Jahr 2022 im Amt bleiben. Die Protestierenden fordern, dass eine
       Übergangsregierung vorgezogene Neuwahlen mit einem neuen Wahlrecht
       vorbereitet. Das bisherige Wahlrecht ist ein komplexes Proporzsystem, das
       jeder religiös-politischen Fraktion einen Teil der Macht sichert. Neuwahlen
       hat Diab nicht angekündigt.
       
       Ob Diab das Vertrauen in der zweitägigen Sitzung ausgesprochen bekommt, ist
       unklar. Für eine Mehrheit in dem 128 Sitze starkem Parlament braucht es 65
       zur Abstimmung anwesende Abgeordnete. Diabs Regierung wird von den
       prosyrisch ausgerichteten Parteien rund um die Hisbollah unterstützt. Diese
       Parteien stellen 69 Abgeordnete und besitzen damit die Mehrheit im
       Parlament.
       
       Ihre politischen Rivalen rund um den ehemaligen Ministerpräsidenten Hariri
       hatten angedroht, der Sitzung im Parlament fernzubleiben und somit das
       Votum zu boykottieren.
       
       11 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/LunaSafwan/status/1227180933905813504
 (DIR) [2] /Ausschreitungen-im-Libanon/!5654854
 (DIR) [3] https://twitter.com/Sunniva_Rose/status/1227197287920816128
 (DIR) [4] https://twitter.com/SalimSaadeh/status/1227180253958868992
 (DIR) [5] /Neue-Regierung-im-Libanon/!5656682
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Neumann
       
       ## TAGS
       
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