# taz.de -- petition der woche: Eine 16-Jährige schüttet Öl in das Feuer, das andere legten
Es beginnt Mitte Januar: Die 16-jährige Mila, die unweit von Lyon lebt,
debattiert live auf Instagram mit einer Freundin. Sie tauschen sich
darüber aus, dass sie beide zwar auf Frauen stehen, dass aber „arabische
Frauen“ nicht so „ihrem Stil“ entsprächen.
Das wollen viele Instagram-Abonnent*innen von Mila so nicht stehen lassen:
Es sei ausgrenzend, kommentieren sie. Ein männlicher Nutzer macht Mila
Avancen, die sie ablehnt. Gekränkt reagiert er mit Beleidigungen, nennt sie
eine Rassistin. Andere Nutzer machen daraus Islamophobie.
Mila wehrt sich: „Ich lehne alle Religion ab. Ich bin nicht rassistisch.“
Jetzt nimmt die Geschichte Fahrt auf. Mila wird von Internetnutzer*innen
als „dreckige Französin“ beschimpft, als „dreckige Lesbe“, als eine, die
gegen den Islam sei.
Daraufhin lädt Mila ein noch viel kontroverseres Video hoch, über das in
Frankreich wochenlang debattiert wird. Darin sagt sie: „Der Islam ist
scheiße, das ist meine Meinung. Eurem Gott stecke ich meinen Finger in sein
Arschloch, danke, auf Wiedersehen.“ Es dauert nicht lange, und Mila erhält
Morddrohungen. Seither steht sie unter Polizeischutz. Auch die Schule muss
sie wechseln.
Die öffentlichen Reaktionen in Frankreich sind gespalten: Wie weit darf
Religionskritik gehen? Frankreich ist ein laizistisches Land; die Trennung
zwischen Religion und Staat ist strikt. Und der Fall greift ein Grundrecht
in Frankreich an: das Recht auf Blasphemie. Zudem wird darüber gestritten,
wie weit Meinungsfreiheit gehen darf.
Unterstützer*innen von Mila solidarisieren sich im Internet mit
#JeSuisMila. Ich bin Mila. Eine Gruppe namens „Comité Je Suis Mila“ startet
eine Petition mit folgendem Aufruf: „Mila befindet sich in Lebensgefahr,
weil sie die hasserfüllte Dimension der Religionen im Allgemeinen und
insbesondere die des Islams kritisiert hat, als Reaktion auf lesbophobe und
frauenfeindliche Schikanen.“ Sie fordern ein besonderes Strafmaß für Täter,
die Todesdrohungen gegen sie verbreitet haben. Bisher haben fast 24.000
Personen die Petition unterschrieben.
Gegner zeigen ihre Wut, indem sie #JeSuisPasMila verbreiten – Ich bin nicht
Mila. Abdallah Zekri, Delegierter des Französischen Rates des muslimischen
Kultes, empört sich im Sud Radio: „Sie hat Wind gesät und Sturm geerntet,
nun muss sie die Folgen tragen!“
Justizministerin Nicole Boullebet gerät ebenfalls stark in die Kritik,
nachdem sie dem Radiosender Europe1 sagt, die Religionsbeleidigung sei
offensichtlich ein Angriff auf die Gewissensfreiheit. Sie relativiert dann
aber ihre Aussage: Der Fall Mila habe ein neues Licht auf die Frage des
Rechts auf Blasphemie geworfen, sagt sie. „In unserem Land steht es jedem
frei, zu lästern.“
Mitte Februar äußert sich schließlich sogar Präsident Emanuel Macron zu den
Ereignissen. In der Tageszeitung Le Dauphiné libéré: erklärt er: „Das
Gesetz ist klar: Wir haben das Recht auf Blasphemie und darauf, Religion zu
kritisieren und zu karikieren.“
„Ich bereue absolut nicht, was ich gesagt habe“, sagt Mila in der
TV-Sendung „Quotidien“. Sie entschuldigt sich aber bei Menschen, die ihre
Religion in Frieden ausüben und sich durch ihre Äußerungen verletzt gefühlt
haben könnten. Ihr Instagram-Profil hat sie inzwischen gelöscht.
Eliane Morand
22 Feb 2020
## AUTOREN
(DIR) Eliane Morand
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