# taz.de -- zwischen den rillen: Vollmond und Brexit
       
 (IMG) Bild: The Big Moon: „Walking Like We Do“ (Fiction/Caroline International/Universal)
       
       Das verflixte zweite Album: Wenn das Debüt erfolgreich war, sind die
       Erwartungen daran denkbar groß. 2017 brachte der Erstling „Love in the 4th
       Dimension“ der britischen Band the Big Moon eine Nominierung für den
       renommierten „Mercury Prize“ ein. Die Musik schrammelte herrlich intuitiv
       um die Texte von Sängerin Juliette Jackson, die darin jugendlich naiv das
       Liebesleben von Twentysomethings abhandelte. Vergleiche mit den Libertines
       wurden laut – obwohl The Big Moon vier Musikerinnen sind.
       
       Was macht die Band mit dem Erfolg? Genau da ansetzen, wo sie aufgehört hat?
       Allen Ansprüchen gerecht werden? Schwierig: Hat sich doch die Welt um
       Jackson und ihre Mitstreiterinnen in den drei Jahren seit dem Debüt
       entscheidend verändert. Egozentrismus und Herzschmerz werden überlagert von
       Fridays for Future, Brexitkrise und Boris Johnson – die Lage der Welt und
       der Jugend im eigenen Land ist komplizierter und herausfordernder.
       
       Jacksons erste Reaktion: Den Schlafanzug anziehen und sich mit Gitarre und
       Gedanken zu Hause einschließen. Als sie mit Songideen wieder hervorkommen,
       nimmt die Band sich Zeit und Möglichkeiten und greift auf Erfahrungen
       zurück, die zuvor noch nicht parat waren. Entstanden ist so ein
       erquickliches Album, dass aufgeräumter wirkt als sein Vorgänger und das
       Quartett gleichzeitig ratlos und aufgewühlt zeigt – ohne dabei deprimiert
       zu klingen.
       
       Sorgfältiger herausgearbeitet sind die Details auf „Walking Like We Do“:
       Der Song „Barcelona“ etwa steigt mit luftigen Flöten ein, fröhliche
       Synthies sprudeln durch so manche Hookline wie etwa bei „Take a Piece“ und
       überhaupt werden Tasten und Bläser sehr viel stärker zum Einsatz gebracht.
       The Big Moon haben außerdem die etwas klischeemäßigen Indie-Gitarren des
       Debüts gegen neue Entspanntheit eingetauscht. Früher bellten sie hastig ins
       Mikro, nun lassen sie eher mehrstimmigen Harmonien den Vorzug. Man könnte
       sogar sagen, dass die Band einen Genrewechsel vollzogen hat und nun statt
       Indie-Rock anschmiegsamen Pop macht, der gesellschaftliche Relevanz hat.
       
       Auf „Dog Eat Dog“ etwa verhandelt Jackson die Ellbogenmentalität britischer
       PolitikerInnen. Auf „Holy Roller“ lassen sich The Bog Moon zu einer
       düsteren Gegenwartsbetrachtung hinreißen: „Our paradise is gold and lit /
       Like porno sites and gonzo kids“, um dann auf „Why“ zu beteuern, dass es
       neben der Düsternis doch auch Grund zur Freude geben kann.
       
       Der neue Big-Moon-Sound dürfte manch alte Fans verstimmen – ihr Sound
       klingt auf „Walking Like We Do“ nun mehr nach Lily Allen als nach The
       Libertines. Gleichzeitig werden sich für die einprägsamen Popsongs mit
       Tiefgang auch viele neue Hörer*innen finden. Die erste Single-Auskopplung
       „Take a Piece“ jedenfalls erfreut sich bereits reger Beliebtheit, was
       sicherlich nicht nur an dem grandiosen Video im Boygroup-Look der Neunziger
       liegt. Am Ende ist es egal, ob sich auf „Walking Like We Do“ jetzt alle
       einigen können.
       
       Der Albumtitel „Walking Like We Do“ zielt übrigens auf das alltägliche
       Chaos ab, dass alle umgibt. Und darauf, dass wenigstens Jackson und The Big
       Moon dabei wohlüberlegt, zielstrebig und unaufgeregt weiter ihren eigenen
       Pfad verfolgen. Silvia Silko
       
       31 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silvia Silko
       
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