# taz.de -- Comic: Typex über Rembrandt: Grob, grimmig, genial
       
       > Die Werke Rembrandts kennen wir alle, aber wer war der Mensch Rembrandt?
       > Comiczeichner Raymond Koot alias Typex klärt uns in Bild und Wort auf.
       
 (IMG) Bild: „Rembrandt“ ist in Zusammenarbeit mit dem Rijksmuseum Amsterdam entstanden
       
       Ob „Die Nachtwache“, „Die Blendung Simsons“ oder „Die Anatomie des Dr.
       Tulp“: die Werke des niederländischen Malers Rembrandt van Rijn
       (1606–1669) haben es dank ihrer raffinierten Malweise zu Weltgeltung
       gebracht, bis heute zählt Rembrandt zu den berühmtesten Malern des
       Nachbarlands. Doch wer war der Mensch hinter dem Künstler, der sich auch
       immer wieder selbst malte?
       
       „Tatsächlich ist wenig über Rembrandt selbst bekannt“, sagt Raymond Koot,
       der als Comiczeichner unter dem Namen Typex bekannt ist. „Alle gesicherten
       Fakten würden auf eine A4-Seite passen. Es gibt nur ein paar Notizen aus
       seiner Hand.“ Insofern war es eine Herausforderung für Typex, das
       Maler-Genie in einer Comicbiografie zu porträtieren, die kürzlich in
       Zusammenarbeit mit dem [1][Rijksmuseum Amsterdam] entstanden ist.
       
       Dass es nur wenige Fakten gab, so Typex, habe ihn dabei nicht gestört, denn
       so habe er mehr Spielraum für seine eigene schöpferische Fantasie gehabt.
       Gut gelaunt kommt der 1962 geborene Zeichner zum Interview, mit seinen
       grauen langen Haaren und dem Bärtchen wirkt er wie eine Mischung aus
       Alt-Rocker und Hippie.
       
       In Deutschland machte Typex bereits Ende 2018 auf sich aufmerksam, als er
       die vielschichtige [2][Comicbiografie „Andy“] über Andy Warhol
       veröffentlichte. Nun liegt auch „Rembrandt“ auf Deutsch vor, das er bereits
       vor „Andy“ zeichnete. Über drei Jahre arbeitete er an dem Buch.
       
       ## Porträts von Lady Gaga und Michael Jackson
       
       Zuvor hatte er lange Independent- und Kinder-Comics gemacht, aber er ist
       auch bekannt für seine Illustrationen für Musikmagazine, insbesondere
       Porträts von Künstler:innen wie Lady Gaga oder Michael Jackson. Ein
       Kunstcomic war da etwas Neues. „Ich dachte erst, so ein ehrwürdiges Museum
       wolle etwas Traditionelles, aber sie sagten, es solle nur möglichst wenig
       lehrbuchhaft sein. So genoss ich also totale Freiheit, ich musste nur
       einiges an historischer Recherche betreiben.“
       
       Typex zeigt die Malerlegende in verschiedenen Lebensabschnitten,
       anekdotisch, pointiert, und oft gelingt es ihm, über mehrere Seiten hinweg
       ganz auf Dialoge zu verzichten.
       
       Eine wichtige Nebenrolle im Buch spielt der berühmte Dichter, Komponist,
       Musiker und Diplomat Constantijn Huygens (1596–1687). Huygens besuchte
       einmal das Atelier des jungen Rembrandt und verfasste daraufhin ein
       literarisches Porträt von ihm und dessen Maler-Kollegen Jan Lievens. Typex:
       „Aus den verschiedenen Quellen kann man heute schließen, dass Rembrandt ein
       recht grober Zeitgenosse war, der geldgeil, ja geizig war und der sehr viel
       hortete – sein Haus war vollgestopft mit kuriosen Dingen.“
       
       ## Grimmiger Misanthrop
       
       Die Erzählstruktur folgt dem überlieferten Lebenslauf dieses zu Lebzeiten
       als grimmiger Misanthrop wahrgenommenen Charakters, springt in der
       Chronologie mal vor, mal zurück und bleibt an vielen Stellen auch bewusst
       lückenhaft: Nach einer Zeit im gemeinsamen Atelier mit Jan Lievens in
       seiner Geburtsstadt Leiden zieht es Rembrandt nach Amsterdam, wo er Saskia
       van Uylenburgh, die Tochter seines Kunsthändlers, heiratet und beginnt,
       Schüler auszubilden.
       
       Rembrandt erlangt bald Berühmtheit, verschuldet sich aber auch und muss
       Insolvenz anmelden. Immer wieder schlägt das Schicksal hart zu: seine
       geliebte Saskia stirbt früh, und die Pest rafft mehrere Mitglieder seiner
       Familie hin.
       
       Das Besondere an Typex’ Erzählweise: Jedes Kapitel spiegelt die Sicht einer
       anderen Person auf den Künstler wider, vor allem die Frauen an seiner Seite
       werden dabei als eigenständige Charaktere treffend porträtiert. Manchmal
       wurden sie auch zu Opfern des egoistisch-triebhaften Rembrandt, wie im Fall
       seiner Magd Geertje.
       
       Eine ergreifende Szene zeigt Rembrandts Lebensgefährtin Hendrickje Stoffels
       vor einem Tribunal in einer Kirche. Da Rembrandt – nach dem Tod seiner
       ersten Frau – nicht erlaubt wurde, Hendrickje kirchlich zu heiraten, wurde
       im Kirchenrat festgehalten, dass sie in Sünde lebte und keine Kirche mehr
       betreten durfte.
       
       ## Nur die Bilder erzählen
       
       „Das Protokoll dazu war eine wichtige historische Quelle. Ich habe mir
       vorgestellt, dass sie nach dieser düsteren Szene ins Freie tritt, bei
       strahlender Sonne und Vogelgezwitscher. Spaß hat mir hier bereitet, nur
       über die Bilder zu erzählen. Das passt zu Rembrandts Persönlichkeit, der
       recht wortkarg gewesen sein soll.“
       
       Ein weiteres Beispiel für Typex’ Vorgehensweise ist die Einbeziehung eines
       als Attraktion durch Europa reisenden indischen Elefanten namens „Hansje“
       in die Handlung (der damals als „Hansken“ bekannt wurde). „Da verarbeite
       ich eine wahre Geschichte. Rembrandt zeichnete das Tier damals tatsächlich
       zweimal, in verschiedenen Altersphasen. Hansje ist zwar äußerlich ein
       plumpes Wesen, aber innerlich freundlich und sanft.“
       
       Eher zufällig habe sich ergeben, dass der Elefant zur Metapher für
       Rembrandt selbst wurde: „Er gehörte nicht wirklich in seine Zeit und nicht
       an diesen Ort, anfangs versteckte er sich im Schatten und suchte dann das
       Licht und das Leben – so wie Rembrandt es mit den Farben tat.“
       
       ## Elefantenszene im Hafen
       
       Sehr viel Mühe verwendete Typex auch auf die visuelle Recherche, etwa bei
       der Elefantenszene im Hafen. Wie sah damals ein Kran aus, der einen
       Elefanten vom Schiff an Land hieven konnte? „Da ich keine Zeichnung davon
       finden konnte, habe ich selbst eine Konstruktion erfunden. Später habe ich
       einen Fachmann getroffen, der gesagt hat, dass Kräne damals genau so
       ausgesehen hätten.“
       
       An manchen Stellen fühlt man sich direkt in Rembrandts Skizzenbuch
       versetzt, die Panels erinnern in der Gestik der Figuren, in Strich und
       Farbe an Zeichnungen der Epoche. Typex’ Arbeitsweise ist sehr ausgefallen:
       zunächst kopierte er Rembrandts Motive am Leuchttisch, um mit dem Bleistift
       dessen Strich nachzuvollziehen, und zeichnete dann sehr frei weiter, um
       nicht zum Kopisten zu werden. „Alles sollte wie aus einem Guss aussehen.
       Deshalb ist im ganzen Buch keine einzige Reproduktion der Werke Rembrandts
       zu sehen, nur meine Versionen seiner Motive.“
       
       Um manche berühmte Bilder wie „Die Nachtwache“ kreiert Typex mögliche, oft
       derb-komische Entstehungsgeschichten, da lässt er den Maler vor seinen
       nervigen Auftraggebern der Stadtwache fliehen und in einen Kriminalfall
       hineingeraten, der damals wirklich stattgefunden hat.
       
       In einer anderen Sequenz steht das Gemälde „Die Kreuzabnahme“ im
       Mittelpunkt. Zwei Schatten betrachten das Bild im Schloss – es handelt sich
       um den König und seinen Sekretär Constantijn Huygens – und verkennen, das
       zeigt ihr Dialog, vollkommen dessen Fortschrittlichkeit. Typex: „Rembrandt
       war zwar schon berühmt und seiner Zeit voraus, doch mochte man
       konventionellere Maler lieber.“
       
       ## Das „Goldene Zeitalter“
       
       Typex gelingt so ein burlesk-frivoles Sittenbild der holländischen
       Gesellschaft des „Goldenen Zeitalters“, das viel über Rembrandts Wesen
       verrät, vor allem aber toll gezeichnet ist. Der Comiczeichner versteht es,
       mit viel Humor, in lockerem Strich und abwechslungsreichem Seitenlayout ein
       reiches Figurenensemble vor dem Hintergrund einer aufblühenden Epoche zum
       Leben zu erwecken. Beliebte damalige Zeichentechniken und Motive (zum
       Beispiel Schattenrisse oder florale Kadrierungen) fließen in die Gestaltung
       ein und wirken durch Typex’ Hand zugleich frisch und modern.
       
       „Mich interessiert weniger, eine vollständige Biografie als vielmehr ein
       psychologisches Porträt zu zeichnen“, erklärt Typex, „ich wollte keine
       dieser üblichen Konzept-Biografien machen, sondern möglichst viele Facetten
       einer komplizierten Persönlichkeit abbilden. Meiner Ansicht nach tritt
       Rembrandts wahres Wesen in seinen Gemälden hervor.“
       
       10 Feb 2020
       
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