# taz.de -- berliner szenen: Wie ein Crash-Test-Dummy
       
       Ich bin spät dran. Natürlich ist der Verkehr schuld. Vielleicht auch die
       Tatsache, dass ich mich weigere, einen Wecker zu benutzen, um meinen
       natürlichen Schlafrhythmus nicht zu stören – und der sieht nun mal leider
       manchmal vor, dass ich bis Viertel vor neun schlafe.
       
       Jedenfalls: Ich bin spät dran. Und je näher ich meiner Arbeitsstelle komme,
       desto zäher geht es voran, denn ich muss durch das Nadelöhr Moritzplatz.
       Eigentlich ist der Moritzplatz natürlich kein Nadelöhr, sondern ein
       zweispuriger Kreisverkehr, aber dank diverser Baustellen ist er seit einer
       halben Ewigkeit ein halbspuriges Desaster.
       
       Auf voller Lautstärke dröhne ich die Restmüdigkeit und schlechte Laune mit
       Shindys „Drama“ weg. Er rappt gerade: „Fast Life wie ’n Crash-Test-Dummy“,
       als ich im Kreisverkehr von einer Gruppe radelnder Polizisten in Warnwesten
       umschlossen werde. Der Polizist direkt neben mir schaut mich an. Ich ahne
       schon, was jetzt kommt: Mit Kopfhörern fahren ist gefährlich, Sie sollten
       lieber einen Helm tragen, außerdem haben Sie hier gerade jemanden gehörig
       geschnitten.
       
       Doch es kommt ganz anders. „Sauerei, die Radwege hier“, sagt er. Ich denke
       erst, ich habe mich verhört. Aber Shindys „Dodi“ liegt gerade in den
       letzten Zügenm und es folgt ein gesprochenes Interlude, sodass ich den
       Polizisten sehr gut verstehen kann. „Fahren Sie doch mit uns weiter auf der
       Straße, das ist einfacher“, sagt er, „Sie haben es ja bestimmt eilig.“
       Dankend nehme ich an. In einer Polizeieskorte fahre ich die nächsten paar
       Blöcke in Rekordzeit. Ich muss keine Angst haben, von einem aggressiven
       Autofahrer angehupt oder auch nur überholt zu werden. Kurz vor meiner
       Arbeitsstelle verabschiede ich mich. Der Polizist ruft mir noch etwas
       hinterher, aber ich kann ihn nicht verstehen. Der nächste Track hat
       angefangen.
       
       Laura Sophia Jung
       
       30 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Sophia Jung
       
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