# taz.de -- Sinologin über Peking als Geldgeber: „Chinas Bonus ist verspielt“
       
       > Die Volksrepublik ist der größte Geldgeber weltweit. Bei dem Kapital geht
       > es um Einfluss in Entwicklungsländern, erklärt die Sinologin Nora
       > Sausmikat.
       
 (IMG) Bild: Kenia hat sich von China eine Bahn bauen lassen – und ist entsprechend verschuldet
       
       taz: Frau Sausmikat, westliche Politiker warnen vor der zunehmenden
       [1][finanziellen Abhängigkeit vieler Länder von China]. Zu Recht? 
       
       Nora Sausmikat: Das ist schwer zu beantworten. Die institutionelle
       Finanzarchitektur in China sowie die Vergabepraxis unterscheiden sich von
       traditionellen westlichen Gebern. Oft ist unklar, zu welchem Zweck die
       Gelder vergeben werden. Auch die Frage, zu welchen Konditionen sie vergeben
       werden, wird oft nicht beantwortet. Fakt ist: Laut Institut für
       Weltwirtschaft schuldete die Welt China Ende 2017 mehr als 5 Billionen
       US-Dollar. Seit 2009 ist die Volksrepublik größerer Kreditgeber als die
       USA. Die chinesischen Kredite haben vielen Ländern geholfen, zugleich aber
       dazu beigetragen, dass Länder, die vorher schon verschuldet waren, in eine
       noch größere Schuldenkrise geraten sind.
       
       Was hat das für die betroffenen Länder für Folgen? 
       
       Sie werden abhängig. Dschibuti etwa ist bei China mit 1,4 Milliarden Dollar
       verschuldet. Das entspricht zwei Drittel der Wirtschaftsleistung. Oder Sri
       Lanka: Das Land musste unlängst seinen Hafen an ein chinesisches
       Staatsunternehmen abtreten. Zwölf Staaten haben heute
       Zahlungsschwierigkeiten und sind kaum in der Lage, die Kredite an China
       zurückzuzahlen. Staaten wie Simbabwe, Mosambik oder Südsudan sind praktisch
       zahlungsunfähig. Natürlich sind das kumulierte Schulden, die nicht nur auf
       Chinas Konto gehen. Aber die Kreditvergabe der Chinesen verschlimmert eben
       die Situation. Zugleich aber – und das muss auch betont werden – betreibt
       China Entschuldungspolitik.
       
       In welcher Form? 
       
       China hat gegenüber 59 Ländern insgesamt 45 Milliarden Dollar umgeschuldet,
       wie eine unlängst erschienene Studie von erlassjahr.de darstellt. 9,4
       Milliarden Dollar davon wurden sogar komplett erlassen.
       
       Knüpft China eine solche Entschuldung an politische Bedingungen? 
       
       Offiziell wird das natürlich abgestritten. De facto ist es aber so, dass
       politische Bedingungen gestellt werden. Viele dieser Nehmerstaaten sind ja
       auch keine demokratischen Staaten. Letztendlich sind es die in diesen
       Ländern herrschenden Eliten, die ihre Länder in den Ruin treiben. Sie sind
       oft korrupt und setzen die Kredite für eigene Zwecke ein. Das führt dazu,
       dass diese Kreditkrisenspirale aufs Äußerste gespannt wird. Chinas
       politischer Einfluss ist in diesen Staaten extrem hoch.
       
       Oft heißt es: Viele Länder würden die chinesischen Kredite deswegen
       annehmen, weil [2][China anders als die Länder des Westens keine
       Bedingungen stellt] und sich auch politisch nicht einmischt. Stimmt das? 
       
       Nein, das würde ich nicht so sagen. Viele chinesischen Kredite sind keine
       gezielte Entwicklungshilfe, sondern kommerziell. Diese Unternehmen sind in
       vielen dieser Staaten jedoch sehr eng mit der herrschenden Elite verwoben.
       
       Was halten die Menschen in den betroffenen Ländern von Chinas
       Investitionen? 
       
       Pakistan ist ein Beispiel dafür, wie sehr die Bewertung der Bevölkerung und
       die der Regierung auseinandergeht. Das offizielle Narrativ ist
       chinafreundlich. Im Zuge der Baumaßnahmen im Hafen von Gwadar, als es kein
       Trinkwasser mehr gab, kam es dort aber zu Gewalt und Übergriffen auf
       chinesische Arbeiter. Ähnliches hört man auch aus anderen Ländern.
       
       Eine koloniale Vergangenheit haben die Chinesen, anders als die Europäer,
       in diesen Ländern aber nicht. 
       
       Das war der Bonus, den China in den nuller Jahren als neuer
       Entwicklungsfinanzier in den Staaten des Globalen Südens hatte. Nach den
       negativen Erfahrungen, nicht zuletzt mit dem IWF und der Weltbank, kam ein
       Akteur, der ohne postkoloniale Einstellung Kredite vergab. Inzwischen gibt
       es in vielen afrikanischen Staaten ein Umdenken. Chinas Hilfe ist eben
       nicht selbstlos. Und wenn die Investitionen nicht den erwünschten Gewinn
       abwerfen, kann es auch von chinesischer Seite zu drakonischen Strafen
       kommen. Dieser Bonus, den China anfangs noch hatte, ist inzwischen auch
       schon verspielt.
       
       14 Jan 2020
       
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