# taz.de -- Protest in Hongkong: Dann streiken wir eben!
       
       > Die Protestbewegung ist ins Stocken geraten. Als Reaktion werden
       > Gewerkschaften gegründet. Sie sollen einen politischen Arbeitskampf
       > ermöglichen.
       
 (IMG) Bild: Büroangestellte in Hongkong beim Protest während ihrer Mittagspause, November 2019
       
       HONGKONG taz | Es ist fast 13 Uhr, Zeit für die Mittagspause. Die
       34-jährige Ku steht mit einer Handvoll Leuten vor der U-Bahn-Station Quarry
       Bay, Ausgang B, und hält ein Schild hoch. Damit wirbt sie Mitglieder für
       eine neue Gewerkschaft für Angestellte in der Pharma- und
       Medizintechnikindustrie. Der Platz ist dafür gut gewählt. Denn viele der
       Hongkonger Pharmaunternehmen sind in diesem Viertel angesiedelt, unter
       anderem die Tochtergesellschaften des US-Riesen Pfizer und von Bayer.
       
       Immer wieder bleiben Leute stehen, nehmen sich Flyer oder melden sich
       gleich als Mitglieder an. „Je mehr Menschen wir zusammenbringen können,
       desto mehr Macht werden wir haben, um für das zu kämpfen, was uns zusteht“,
       sagt Ku, die nicht ihren vollen Namen nennen möchte und für einen
       internationalen Pharmakonzern arbeitet.
       
       Sie ist eine von drei InitiatorInnen der „Hong Kong Pharmaceutical and
       Medical Device General Union“. Diese Gewerkschaft ist eine von mehreren,
       die in den letzten Wochen aus Honkongs regierungskritischer Protestbewegung
       hervorgegangen sind. Künftig wollen sie Streiks organisieren, auch mit
       Hilfe bereits bestehender prodemokratischer Arbeitsverbände.
       
       Die [1][Protestbewegung befinde sich in einer schwierigen Lage,] und
       nachdem die Regierung [2][auch nach Monaten] kaum auf die Forderungen der
       Demonstranten eingegangen sei, suchten diese nun nach neuen Wegen, um Druck
       auszuüben, sagt Ku. Für die Pharma- und Medizintechnikindustrie habe es
       bisher nur pekingfreundliche Gewerkschaften gegeben.
       
       ## „Was kommt als Nächstes?“
       
       „Ich glaube, die gesamte Protestbewegung stellt sich gerade eine Frage: Was
       kommt als Nächstes?“, sagt der altgediente Aktivist und Vorsitzende von
       Hongkongs Arbeiterpartei, Lee Cheuk-yan. „Die Menschen denken: Wir können
       Pekings Statthalter vielleicht nicht auf der Straße bekämpfen, und wir
       können vielleicht manchmal wegen der Unterdrückung nicht demonstrieren.
       Aber niemand kann uns davon abhalten, zu streiken“, sagt Lee, der auch
       Vorsitzender des prodemokratischen Gewerkschaftsverbandes ist.
       
       Früher habe man gestreikt, wenn es wirtschaftliche Probleme gab. Jetzt
       wollten die Menschen aus politisches Gründen streiken. „Und wenn sie
       fragen, wie sie streiken können, ist die natürliche Antwort: Man muss
       zuerst eine Gewerkschaft gründen“, sagt Lee.
       
       Der Gewerkschaftsführer sieht mehrere Gründe, wieso sich die InitiatorInnen
       für Neugründungen entschieden hätten, statt bestehenden prodemokratischen
       Gewerkschaften beizutreten.
       
       Zum einen gebe es ein Identitätsproblem. Die neue Idee einer gesichtslosen,
       führerlosen Protestbewegung vertrage sich nicht mit dem Beitritt in alte
       Strukturen. Und es fehle seinem Verband zum Beispiel auch an einer Basis in
       der Berufsgruppe der Angestellten im Finanz- und IT-Sektor.
       
       ## Angst vor Vergeltung
       
       Ein Generalstreik sei geplant, aber vorher müsse man sichergehen, dass die
       Organisation stehe und die Mitgliederzahlen eine kritische Masse
       erreichten. Eine der größten Herausforderungen für die Bewegung seien
       mögliche Vergeltungsmaßnahmen der Unternehmen und der Regierung, wenn die
       Arbeitskämpfe beginnen. „Man kann die kommende Unterdrückung riechen. Sie
       wollen durch Angst herrschen“, so Lee.
       
       Laut Hongkongs Arbeitsministerium wurden 2019 mit 25 fast doppelt so viele
       Gewerkschaften wie im Vorjahr registriert, 18 davon nach Beginn der
       Proteste im Juni. Lee schätzt, dass rund 40 Gewerkschaften sich gerade auf
       die Registrierung vorbereiten oder schon registriert sind.
       
       Bis Ku ihre Gewerkschaft offiziell registrieren kann, liegt noch einiges
       vor ihr. So sei es schwer gewesen, die sieben Mitglieder für das
       Gründungskomitee zu finden. Denn dazu müssten diese ihre Namen öffentlich
       machen, wozu viele aus Angst nicht bereit seien.
       
       Die Gewerkschaft sei zunächst auf der verschlüsselten Messaging-App
       Telegram als Chat-Gruppe entstanden, die inzwischen mehr als tausend
       Mitglieder hat. Für die eigentliche Gewerkschaft hätten sich bisher hundert
       Menschen angemeldet. Ku sagt, das Ziel sei, ein Zehntel der in dieser
       Industrie Beschäftigten zu organisieren, rund 1.500 Menschen.
       
       Die Protestbewegung und die geplanten Streiks seien zwar der Hauptfokus.
       Aber man wolle auch andere Probleme angehen. „Mutterschutz ist zum Beispiel
       in Hongkong noch schlechter als in China.“
       
       13 Jan 2020
       
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 (DIR) Max Bernhard
       
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