# taz.de -- Die Türkei und der Balkan: Erdoğans langer Arm
       
       > Ein türkischer Lehrer wird in Bosnien und Herzegowina entführt. Er gehört
       > der Gülen-Bewegung an. Jetzt könnte er in die Türkei abgeschoben werden.
       
 (IMG) Bild: Mehr als 10.000 Türken leben in Sarajewo
       
       Sarajevo taz | Das hatte Fatih Keskin, Direktor der Richmond Park Schule in
       Bihac im Nordwesten Bosnien und Herzegowinas, doch nicht erwartet.
       Eigentlich steht die Stadt ja im Zentrum der Diskussion über die neue
       Migranten-Route von der Türkei bis Westeuropa, nicht aber wegen [1][eines
       Rachefeldzuges von Tayyip Erdoğan.]
       
       Als aber am vergangenen Dienstag die Aufforderung der lokalen Polizei kam,
       sich bei der Polizeistation zu melden, ahnte der seit 15 Jahren in Bosnien
       lebende Lehrer noch nicht, dass er nach Sarajevo-Lukavica transportiert und
       dort in einer Strafanstalt festgehalten werden würde.
       
       Natürlich wusste Fatih Keskin, dass die türkischen Behörden nicht gut auf
       ihn zu sprechen waren. Denn [2][er gehört der Gülen-Bewegung an], deren
       Mitglieder in der Türkei von Präsident Erdoğan als Staatsfeinde,
       Putschisten und sogar Terroristen angesehen werden. Aber dass er ein Risiko
       für die „Sicherheit des Staates Bosnien und Herzegowina“ sei, konnte der
       Lehrer sich nicht vorstellen.
       
       Als Erstes wurde ihm schon in der Polizeistation in Bihac erklärt, seine
       Aufenthaltsgenehmigung in Bosnien und Herzegowina sei ungültig geworden.
       Dann wurde er in eine Limousine des Innenministeriums gesetzt und nach
       Sarajevo transportiert. Er konnte zwar seine Familie kontaktieren und hat
       die Unterstützung eines Rechtsanwaltes. Aber anscheinend ist es bisher
       nicht klar, ob sein Fall in der nächsten Woche vor einem Gericht oder von
       den Sicherheitsbehörden entschieden wird.
       
       ## Probleme mit dem Aufenthaltsrecht
       
       Bekannte und Freunde sind aufgewühlt. Die türkische Community in Bosnien
       und Herzegowina ist seit einigen Jahren angewachsen. Allein in Sarajevo
       leben rund 10.000 Türken. Jetzt fürchten auch andere, dass sie
       Schwierigkeiten wegen des Aufenthaltsrechts haben werden. Hajrun
       Tursanović, der Sprecher der Richmond-Schule in Bihać, erklärte, die
       Ausländerbehörde hätte noch vor kurzer Zeit betont, dass Türken mit
       Aufenthaltsgenehmigung nichts zu befürchten hätten und vor Forderungen des
       türkischen Staates in Bosnien und Herzegowina sicher seien.
       
       Das sei jetzt wohl nicht mehr so, erklärten einige Mitglieder der
       türkischen Gemeinde der taz. Sie wüssten, dass der türkische Staat schon
       seit Jahren versuche, Einfluss auf die islamische Gemeinschaft in Bosnien
       auszuüben. Als dies nicht ausreichend gelang, versuchten Erdoğans Leute die
       muslimische Nationalpartei SDA für ihre Ziele einzuspannen.
       
       Bekannt ist, dass Bakir Izetbegović, langjähriger Vorsitzender der Partei,
       mit Erdoğan befreundet und auch geschäftlich mit ihm verbunden ist. So
       wurde er beispielsweise zur Hochzeit der Tochter in die Türkei eingeladen.
       In Sarajevo gibt es schon lange Gerüchte über Gefälligkeiten Izetbegovics
       gegenüber Erdogans Gefolgsleuten. Neu ist allerdings, dass nun auch
       bosnische Behörden in diese Politik mit einbezogen werden.
       
       Ob die Rechnung für Erdogans Rachefeldzug allerdings aufgeht, ist noch
       unklar. Es gibt auch starke Kräfte in Bosnien, sich nicht so einfach dem
       Druck von Seiten der türkischen Regierung beugen, so die Sozialdemokraten
       und die stärkste Partei in Sarajevo, die nicht nationalistische Partei Nasa
       Stranka.
       
       ## Klare Position
       
       Zwar gibt es aus westlichen diplomatischen Kreisen Stimmen, die den
       wachsenden Einfluss der Türkei auf dem gesamten Balkan registrieren, weil
       es gelingt, dort gerade bei den nationalistischen Parteien aller Seiten
       Unterstützung zu erhalten.
       
       Unabhängige Beobachter und die Zivilgesellschaft hoffen auf Gegendruck von
       den EU-Ländern. Vor allem von Deutschland erhoffen sich die Freunde des
       entführten Lehrers eine klare Position. Sie warnen davor, Erdoğan könnte
       auch in Deutschland in Bezug auf unliebsame Bürger seines Landes Druck
       ausüben. „Der schreckt doch nicht einmal vor Entführungen zurück“, erklärte
       ein Kritiker, der seinen Namen nicht nennen möchte, in Sarajevo.
       
       6 Dec 2019
       
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 (DIR) Erich Rathfelder
       
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