# taz.de -- Streit um Lohnerhöhungen: Pflegekräfte sind Kassen zu teuer
       
       > Die Bremer Wohlfahrtsverbände haben sich mit Ver.di auf eine
       > Tariferhöhung für den ambulanten Bereich geeinigt. Die Krankenkassen
       > wollen nicht zahlen.
       
 (IMG) Bild: Trotz Lohnerhöhung schlecht bezahlt: Eine ambulante Pflegekraft mit einer älteren Frau
       
       Hamburg taz | Für einige Angestellte der ambulanten Pflege in Bremen ist es
       eine gute Nachricht: Ab dem 1. Januar bekommen sie mehr Lohn. Das ist das
       Ergebnis der Tarifverhandlungen der Gewerkschaft Ver.di mit der
       Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen (LAG). Doch
       jetzt wollen die Krankenkassen die anfallenden Mehrkosten nicht bezahlen.
       
       Die LAG habe bei den Verhandlungen 23 von 115 Pflegediensten in Bremen und
       Bremerhaven vertreten, sagt Vorstandssprecher Arnold Knigge. Die Träger
       wollen insgesamt 6,8 Prozent mehr Geld, die Krankenkassen bieten nur 4,76
       Prozent. Weil sich die Parteien nicht einigen konnten, haben die
       Wohlfahrtsverbände die Verhandlungen als gescheitert erklärt und zu einem
       Schiedsverfahren aufgerufen.
       
       Knigge versteht das Vorgehen der Krankenkassen nicht. „Seit dem letzten
       Jahr gelten Regelungen, wonach die Tarifverträge von den Kassen
       anzuerkennen sind, wenn sie nicht deutlich über das ortsübliche Niveau
       hinausgehen“, sagt er der taz. Und auch mit der Erhöhung liegt der Tarif
       für [1][ambulante Pflegekräfte noch unter dem Tarifvertrag des öffentlichen
       Dienstes]. Die Angestellten in der ambulanten Pflege werden auch weiterhin
       schlechter bezahlt sein, als Pflegekräfte, die in Krankenhäusern arbeiten.
       
       Bis zu acht Prozent mehr bekommen die Angestellten in der ambulanten Pflege
       ab Januar, wenn sie nach Tarif bezahlt werden – der genaue Prozentsatz ist
       von der Berufsgruppe abhängig. Eine Hilfskraft mit einjähriger Ausbildung
       beispielsweise verdiente bisher je nach Dauer der Beschäftigung zwischen
       12,59 Euro und 14,33 Euro in der Stunde. Ab dem ersten Januar sind es 13,19
       Euro bis 15 Euro, sagt Krigge.
       
       ## Unterversorgung im ambulanten Bereich
       
       Auch Aysun Tutkunkardes, Gewerkschaftssekretärin bei Ver.di, verweist auf
       die deutlich niedrigeren Löhne im ambulanten Sektor. Mit dem
       Verhandlungsergebnis sei man aber auf einem guten Weg. „Für mich ist nicht
       nachvollziehbar, warum die Kassen sich sperren“, sagt sie. Schließlich sei
       die Pflicht der Krankenkassen im Sozialgesetzbuch klar geregelt. Außerdem
       steuere das Gesundheitssystem auf eine Unterversorgung zu – gerade im
       ambulanten Bereich.
       
       Auch für Knigge ist die Tariferhöhung wichtig für die Zukunft der
       ambulanten Pflege. Wenn die Krankenkassen bei ihren angepeilten 4,76
       Prozent bleiben, entstehen für die Pflegedienste hohe Kosten, die sie
       selbst tragen müssten. Und einige Pflegedienste schrieben jetzt schon rote
       Zahlen. Aber ohne Lohnerhöhungen könne man die Menschen nicht in den
       Arbeitsverhältnissen halten und kein neues Personal gewinnen, sagt der
       LAG-Vorstandssprecher. Neue Fachkräfte würden lieber in besser bezahlten
       Bereichen arbeiten, schon ausgebildete Pfleger*innen dahin wechseln.
       
       Die Bremer Vertreter*innen des Bundesverbands privater Anbieter sozialer
       Dienste (BPA) haben dem 4,76 Prozent-Angebot der Krankenkassen zugestimmt.
       Die Landesbeauftragte Johanna Kaste weist auch auf den Unterschied zu den
       Gehältern im Krankenhaus hin. Trotzdem sagt sie: „Für uns ist das
       auskömmlich.“
       
       Die beteiligten Krankenkassen wollen sich auf Anfrage der taz nicht zu den
       Verhandlungen mit der LAG äußern, da das Verfahren noch läuft. Dass sie bei
       den Tarifverhandlungen nicht mit am Tisch sitzen, ist laut Tutkunkardes
       normal. „Genauso sind wir nicht bei den Pflegesatzverhandlungen dabei. Das
       ist auch gut so.“
       
       Wenn die Krankenkassen sich weiter weigern, habe auch die Gewerkschaft ein
       Problem. „Wir haben mit den Arbeitgebern bereits festgelegt, dass es beim
       nächsten Tarifabschluss eine Steigerung von mindestens 3,5 Prozent geben
       soll“, sagt Tutkunkardes. Das sei nicht möglich, wenn die Kassen nicht
       zahlen. „Und dann müssen wir die Arbeitgeber bestreiken, obwohl das
       eigentlich die Falschen sind“, sagt die Gewerkschafterin.
       
       Die Wohlfahrtsverbände haben laut Tutkunkardes als frei gemeinnützige
       Träger einen viel kleineren finanziellen Spielraum als beispielsweise
       Aktienunternehmen. Sie sind auf die Refinanzierung der Krankenkassen
       angewiesen, um ordentliche Gehälter zu zahlen.
       
       Auch das eingeleitete Schiedsverfahren birgt finanzielle Risiken für die
       Pflegedienste. Denn so lange das Verfahren läuft, müssen sie die Kosten für
       die Lohnerhöhungen komplett übernehmen, bekommen also nicht einmal die 4,76
       Prozent von den Krankenkassen erstattet. Damit diese Vorleistungsphase
       möglichst kurz ist, will die LAG laut Knigge auf ein zügiges Verfahren
       drängen. Die LAG hat [2][Heinz Rothgang, Professor für Gesundheitsökonomie
       in Bremen, als Schlichter] vorgeschlagen, die Krankenkassen haben dem
       bereits zugestimmt. Wann das Verfahren startet, ist noch nicht klar.
       
       12 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marthe Ruddat
       
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