# taz.de -- Türkei missbraucht Interpol: Der meistgesuchte Verleger
       
       > Seit 1991 ist Ragıp Zarakolu Aussteller auf der Frankfurter Buchmesse.
       > Die Türkei lässt ihn über Interpol suchen, das BKA hält sich bedeckt.
       
 (IMG) Bild: 1998 nahm Zarakolu in Frankfurt einen Preis für seine Frau Ayşe Nur Zarakolu entgegen
       
       Der Messestand des Istanbuler Belge-Verlags ist diesen Herbst den Werken
       von Autor*innen gewidmet, die im Gefängnis oder im Exil leben. Der in
       Schweden lebende Inhaber und Verleger Ragıp Zarakolu kann aufgrund eines
       internationalen Haftersuchens dieses Jahr nicht an der Frankfurter
       Buchmesse teilnehmen. Mit einer Einreise in die Bundesrepublik würde er
       eine Verhaftung riskieren.
       
       Aufgrund der unklaren Gefahrenlage wird Zarakolu nicht in Deutschland
       einreisen, bevor eine Antwort vom BKA vorliegt. Die IG Meinungsfreiheit des
       Börsenvereins und die International Publishers Association (IPA) fordern
       die freie Ein- und Ausreise für den Verleger.
       
       Die Türkei lässt ihn wegen eines Vortrags, den er vor sieben Jahren an der
       Akademie der parlamentarischen Partei HDP hielt, seit August 2018 per
       Haftbefehl durch Interpol suchen. Zarakolu selbst lebt im schwedischen
       Exil. Sein Kölner Anwalt Ilias Uyar versucht seit Mitte September
       vergeblich, vom Bundeskriminalamt eine Zusicherung zu bekommen, dass
       Zarakolu bei einer Einreise nach Frankfurt keine Verhaftung droht.
       
       „Das haben wir auch im letzten Jahr getan“, sagt Uyar. „Da hat das BKA uns
       schriftlich bescheinigt, dass nichts vorlag und sie nicht aktiv werden
       würden.“ Dieses Jahr jedoch bleiben Telefonate, Emails und Faxanfragen
       unbeantwortet. „Obwohl ich mich auf den Sachverhalt aus 2018 bezogen habe,
       hat man mir keine Ansprechpartner genannt.“
       
       Ursprünglich wurde Zarakolu international gesucht, da er gemeinsam mit der
       Schriftstellerin Aslı Erdoğan und der Rechtsanwältin Eren Keskin die
       verlegerische Verantwortung für die Inhalte der inzwischen verbotenen
       kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem übernommen hatte. Die 2016 erhobene
       Anklage in der Türkei lautete auf Rädelsführerschaft in einer
       terroristischen Vereinigung. Der schwedische Nachrichtendienst SÄPO
       informierte ihn über das türkische Auslieferungsgesuch, das die schwedische
       Staatsanwaltschaft allerdings nicht für zulässig halte.
       
       Im Laufe des Özgür-Gündem-Verfahrens wurden die Haftbefehle gegen die
       Angeklagten gerichtlich aufgehoben. Im April 2018 wurde damit auch das
       Auslieferungsersuchen an Schweden hinfällig. Ähnlich wie im Fall Demirtaş
       ordnete daraufhin im August 2018 ein anderes Gericht Haft an. Herangezogen
       wurde diesmal Zarakolus öffentlicher Vortrag von 2012.
       
       Ragıp Zarakolu war mit seiner Frau Ayşe Nur Zarakolu und dem gemeinsamen
       Verlag Belge seit 1991 auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. 1998 bekam
       Ayşe Nur Zarakolu auf der Messe den International Freedom to Publish Award
       der International Publishers Association (IPA) verliehen. Allerdings konnte
       sie an der Preisverleihung nicht teilnehmen, da die Türkei ihr die
       rechtzeitige Ausreise verweigerte. Ihr Mann nahm für sie den Preis
       entgegen. Sie verstarb 2002, ihr Mann führt das Verlagshaus weiter. Er
       selbst bekam den Preis 2008 verliehen.
       
       Eines der in Deutschland prominentesten Gesichter des Verlages ist der
       deutsche Staatsbürger Doğan Akhanlı, der aufgrund eines ähnlich gelagerten
       Falles 2017 in Spanien verhaftet und im August diesen Jahres mit der
       Goethe-Medaille geehrt wurde.
       
       18 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Oliver Kontny
       
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