# taz.de -- Streit über Katalonien: Madrid setzt auf Polizei und Justiz
       
       > Spaniens Ministerpräsident verweigert Gesprächsangebote der katalanischen
       > Regionalregierung. Die konservative Partei profitiert von dem Konflikt.
       
 (IMG) Bild: Wirkt wenig entspannt: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez
       
       Madrid taz | Der katalanische Ministerpräsidenten Quim Torra versucht in
       Madrid jemanden an die Strippe zu bekommen. Doch der spanische
       Regierungschef Pedro Sánchez nimmt nicht ab. Ein Brief des Katalanen an den
       Sozialisten mit der Bitte um Gespräche angesichts der schweren Krise in
       Katalonien bleibt unbeantwortet.
       
       „Sich dem Dialog zu verweigern ist in diesem Moment eine absolute
       Verantwortungslosigkeit, von der ich überzeugt bin, dass die internationale
       Gemeinschaft sie in keiner Weise verstehen wird“, versucht Torra Druck auf
       Madrid auszuüben. Der katalanische Ministerpräsident steht einer Koalition
       zweier Unabhängigkeitsparteien vor: der Partei „Gemeinsam für Katalonien“
       (JxCat) des exilierten [1][Carles Puigdemont] und der „Republikanischen
       Linken Kataloniens“ (ERC) des inhaftierten [2][Oriol Junqueras.]
       
       Von Seiten Sánchez kommt einmal mehr nur die Aufforderung an Torra, sich
       von der Gewalt zu distanzieren. Etwas, was dieser – nach längerem Zögern –
       in den vergangenen Tagen bereits mehrmals getan hat.
       
       Es ist Vorwahlkampf in Spanien. [3][Am 10. November sind erneut
       Parlamentswahlen], da Sánchez nicht in der Lage war, nach dem Urnengang im
       April eine Regierungsmehrheit zu schmieden. Jetzt will er mit Härte zeigen,
       dass er ein großer Staatsmann ist und der einzige, dem die Spanier in
       Zeiten schwerer Krisen vertrauen können.
       
       Statt mit den katalanischen Parteien in Kontakt zu treten, lud Sánchez
       vergangene Woche ausschließlich die spanienweit operierenden Kräfte, die
       konservative Partido Popular (PP), die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) und
       die linksalternative Unidas Podemos (UP) zum Gespräch über Katalonien.
       Selbst die konservativen Basken, die in den letzten Jahren immer wieder
       versuchten vermittelnd einzugreifen, lud er nicht ein.
       
       ## Rechte wollen Zwangsverwaltung
       
       Nur UP forderte von Sánchez einen Dialog. Die beiden rechten Kräfte wollen,
       dass Katalonien erneut unter Zwangsverwaltung gestellt wird. Als ersten
       Schritt müsse Torra die Hoheit über die regionale Polizeieinheit, die
       Mossos d'Esquadra, entzogen werden. Sánchez lehnte nach Ende der
       Parteienrunde den Dialog ab und „schließt kein Szenario aus“. Er setzt
       weiterhin auf Polizei und Strafverfolgung.
       
       Der spanische Sondergerichtshof, die Audiencia Nacional in Madrid,
       ermittelt mittlerweile gegen die Internetplattform „Demokratischer Tsunami“
       wegen „Terrorismus“. Die eigens für die Proteste gegen das Urteil
       gegründete Bewegung zählt mittlerweile über 350.000 Abonnenten auf der
       Messenger-App Telegram. Zehntausende haben sich eine App heruntergeladen,
       mit der künftige Mobilisierungen koordiniert werden sollen. Das Vorbild
       sind die Proteste in Hongkong.
       
       So rief „Tsunami“ am vergangenen Montag, wenige Stunden nach der
       Verkündigung des harten Urteils gegen neun Unabhängigkeitspolitiker und
       -aktivisten Tausende zu einer weitgehend friedlichen Blockade am Flughafen
       von Barcelona. Jetzt hat der Ermittlungsrichter zusammen mit der
       paramilitärischen Guardia Civil mit Hilfe der Telekommunikationsunternehmen
       den Zugang zur Internetseite [4][tsunamidemocratic.cat] blockieren lassen.
       
       Die Seite, die sich auf einem sicheren Server im Britischen Territorium im
       Indischen Ozean befindet, ist von Spanien aus nicht mehr aufzurufen. Nur
       wer es versteht, seinen Internetverkehr umzuleiten, um mit einer
       ausländischen IP-Adresse zu navigieren – oder außerhalb Spaniens lebt, kann
       sie weiterhin sehen.
       
       ## Sánchez verliert Wählergunst
       
       Doch laut Umfragen profitieren Sánchez und seine PSOE vom
       Katalonienkonflikt nicht. Stattdessen steigt die PP, die im April ihr
       historischen Tiefpunkt erreichte, in der Wählergunst und nähert sich den
       Sozialisten immer weiter an.
       
       In Katalonien selbst unterstützen bei weitem nicht alle seiner Wähler den
       harten Kurs. Während die Konservativen in Katalonien seit Jahren kaum noch
       Stimmen bekommen, waren die Sozialisten dort bei der Wahl im April
       zweitstärkste Kraft, knapp hinter ERC, deren Vorsitzender Oriol Junqueras
       sich unter den neun Gefangenen befindet. Als ehemaliger Vizeregierungschef
       in Katalonien wurde er zu 13 Jahren Haft verurteilt, mehr als jeder andere.
       
       Und was noch schlimmer wiegt, auch wenn die Sozialisten erneut die Wahlen
       gewinnen sollten, braucht Sánchez Bündnispartner, um ins Amt gewählt zu
       werden. Er wurde im Juni 2018 per Misstrauensvotum Regierungschef. Die
       Stimmen von ERC waren dabei entscheidend. ERC hoffte, wie Torra jetzt auch,
       auf Dialog. Der Sozialist Sánchez hat in den letzten Tagen diesen
       Vertrauensvorschuss wohl endgültig verspielt.
       
       20 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Urteil-gegen-Unabhaengigkeitspolitiker/!5632950
 (DIR) [3] /Spanien-muss-neu-waehlen/!5627378
 (DIR) [4] https://tsunamidemocratic.github.io/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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