# taz.de -- Boxer Boris Stanchov: Tod im Ring
       
       > Der Bulgare Boris Stanchov war Profiboxer. Er kämpfte mit falscher Lizenz
       > für wenig Geld. Seine Kämpfe sollte er verlieren. Nun starb der
       > 23-Jährige.
       
 (IMG) Bild: Blutverschmierte Mullbinde im Boxring (Symbolbild)
       
       Isus Velichkov lebt, doch das ist keine gute Nachricht. Am vergangenen
       Wochenende hatten albanische Internetquellen berichtet, dass Velichkov, ein
       bulgarischer Profiboxer, nach einem Kampf verstorben ist. Der
       Federgewichtler boxte gegen den Albaner Ardit Murja in der nordalbanischen
       Stadt Shkodra, genauer: in einer kleinen Veranstaltungshalle, die nach dem
       verstorbenen albanischen Fußballschiedsrichter Qazim Dervishi benannt ist.
       
       Aber Isus Velichkov lebt. Gestorben ist Boris Stanchov, sein Cousin. Geboxt
       hatte der 23-Jährige mit der Lizenz Velichkovs. Die werden von
       Profiorganisationen vergeben, an ihnen Gesundheitsuntersuchungen und
       Schutzsperren, etwa nach K.-o.-Niederlagen. Isus Velichkov wurde zum Tod
       seines Cousins so zitiert: „Er nutzte meine Lizenz seit 2018. Er sagte, das
       sei kein Problem, der Trainer wisse das.“ Kenner des Profiboxens auf dem
       Balkan berichten, dass sich Velichkov und Stanchov kein bisschen ähnlich
       sehen.
       
       „Who killed Davey Moore? Why an’ what’s the reason for?“ hat Bob Dylan 1964
       gesungen. Es ging um den sinnlosen Tod eines Profiboxers, und Dylan
       prangerte alle an, die zusammen das Boxbusiness bilden und die sich nach
       dem Tod herausredeten: der Ringrichter, der doch nur weitergemacht habe,
       weil die Zuschauer es gefordert hätten; die Menge, die doch nur einen Kampf
       sehen wollte; der Manager, der doch immer glaubte, der Boxer sei gesund;
       der Buchmacher, der doch nur Geld auf ihn gesetzt hatte; der
       Sportjournalist, der sagt, dass der Tote doch das Risiko gekannt habe; der
       Gegner, der sagt: „I hit him, yes, it’s true / But that’s what I am paid to
       do.“ Er wurde doch nur fürs Schlagen bezahlt.
       
       Kleinring nennt man einen Profiboxabend, wie er am Samstagabend in Shkodra
       stattfand. Nicht weil der Ring kleiner wäre, sondern weil es kein großes
       Publikum zieht.
       
       ## Hilfe war sofort da
       
       Bei den Rahmenkämpfen, die eine Art Vorprogramm zum Hauptkampf bilden,
       traten Murja und, wie man heute weiß: Stanchov an. Murja, ausgebildeter
       Profi, ließ dem als Aufbaugegner – Branchenjargon „Fallobst“ – eingekauften
       Bulgaren keine Chance. In der fünften Runde soll Stanchov mehrere
       Kopftreffer kassiert haben, entscheidend ein linker Jab, getaumelt haben
       und beinah sofort bewusstlos in den Ringseilen zusammengebrochen sein.
       Hilfe war sofort da, er kam schnell ins Krankenhaus, aber Boris Stanchov
       starb bald.
       
       „Who killed Davey Moore? Why an’ whats’s the reason for?“
       
       Die Liste von Boxern, die im Ring oder an den unmittelbaren Folgen eines
       Kampfes starben, ist unvollständig. Es gibt eine Statistik, die von über
       2.000 Boxtoten spricht: die Manuel Velazquez Collection. Der 1994
       verstorbene Velazquez war ein Gegner des Boxsports, der seit den vierziger
       Jahren akribisch alle Todesfälle dokumentierte. Der erste Mensch, der nach
       seinen Erkenntnissen im Ring gestorben ist, war der Engländer Richard
       Teeling, zu Tode gekommen am 14. Mai 1725. Die Velazquez Collection wird
       weiter geführt und stets aktualisiert.
       
       Allein im Jahr 2019 starben der russische Superleichtgewichtler Maxim
       Dadashev und der argentinische Profi, auch er im Superleichtgewicht, Hugo
       Alfredo Santillan, Kampfname „Dinamita“.
       
       ## Autopsie steht an
       
       Der letzte dokumentierte Ringtote in Deutschland ist Jupp Elze aus Köln,
       bei einem Kampf um die Europameisterschaft 1968 wurde er am Hinterkopf
       getroffen, ging zu Boden, stand auf, zeigte dem Ringrichter an, dass er
       aufgibt – und fiel ins Koma. Acht Tage später starb Elze, später stellte
       sich heraus, dass er mit Methamphetamin gedopt hatte.
       
       Was im Falle von Boris Stanchov die genaue Todesursache war, ist noch nicht
       ermittelt, eine Autopsie wird es geben. Der Onlinedienst boxingscene.com
       vermutet, dass nicht der Kopftreffer die Ursache war. Vermutlich sei
       Stanchov, den man ja für ein Fallobst namens Velichkov hielt, schlicht zu
       unerfahren gewesen und habe die Deckungsarbeit nicht beherrscht.
       
       „Who killed Davey Moore? Why an’ what’s the reason for?“
       
       Der zuständige Profiboxverband teilte mit: „Der World Boxing Council und
       sein Präsident Mauricio Sulaiman beklagen den Tod des 21-jährigen
       bulgarischen Kämpfers Isus Velichkov.“ Dass die Ringärzte „ihr Bestes
       gaben, um sein Leben zu retten“, glaubt man beim WBC zu wissen. Dass der
       Tote gar nicht Isus Velichkov war, wusste man allerdings nicht.
       
       26 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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