# taz.de -- Brexit-Fahrplan und Reaktionen: Großbritannien in Aufruhr
       
       > Demos, Online-Petition, eine Klage: Der Zorn über die von Johnson
       > verordnete Parlamentsschließung wächst. Für das Wochenende sind Proteste
       > angesagt.
       
 (IMG) Bild: Nicht mit uns! In London und anderen Städten gehen die Menschen auf die Straße
       
       London taz/dpa/afp | Der britische Premierminister Boris Johnson hat mit
       der von ihm verordneten [1][Zwangspause] des Parlaments einen Sturm der
       Empörung ausgelöst. Am Mittwochabend versammelten sich Hunderte Menschen
       vor dem Parlament und dem Regierungssitz Downing Street in London, um gegen
       die Parlamentsschließung zu demonstrieren. Auf Twitter kündigen
       zivilgesellschaftliche Organisationen unter den Hashtags #GeneralStrike und
       #StopTheCoup Proteste für die kommenden Tage an. Eine Online-Petition gegen
       die umstrittene Maßnahme knackte in der Nacht zu Donnerstag die
       Millionengrenze. Die Aktivistin und Geschäftsfrau Gina Miller teilte
       Berichten zufolge mit, sie habe rechtliche Schritte gegen die Entscheidung
       eingeleitet.
       
       Miller hatte bereits 2017 ein Verfahren gegen die Regierung gewonnen, bei
       dem es um die Rechte des Parlaments bei der EU-Austrittserklärung ging. Die
       Online-Petition registrierte am frühen Donnerstagmorgen bereits mehr als
       1,1 Millionen virtuelle Unterschriften. Die Initiatoren verlangen, dass das
       Parlamentsgeschehen nicht unterbrochen wird, solange Großbritannien den
       Austritt aus der Europäischen Union nicht verschiebt oder seinen
       Austrittsantrag zurückzieht. Solche Petitionen kann jeder Bürger
       einbringen, sie sind aber vor allem symbolischer Natur.
       
       Auch in seiner [2][eigenen Partei] löste Johnson eine heftige Kontroverse
       aus. Medienberichten zufolge wollte die Chefin der schottischen
       Konservativen, Ruth Davidson, noch am Donnerstag ihren Rücktritt bekannt
       geben. Auslöser für den Rückzug der Politikerin sollen demnach vor allem
       private Gründe sein, doch der Zeitpunkt gab Anlass für Spekulationen über
       einen tiefen Riss in der Partei: Davidson war Johnsons erbittertste
       innerparteiliche Rivalin im Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum 2016 und
       ist eine entschiedene No-Deal-Gegnerin. Sie galt einst als
       Hoffnungsträgerin der Tory-Partei.
       
       Johnson hatte am Mittwoch angekündigt, dem Unterhaus noch vor dem
       EU-Austritt am 31. Oktober eine Zwangspause aufzuerlegen. Königin Elizabeth
       II. gab dem Antrag statt. Dem Parlament bleibt damit nur noch ein
       Zeitfenster von wenigen Tagen, um einen EU-Austritt ohne Abkommen per
       Gesetz zu verhindern. Doch das ist angesichts der vielen Hürden im
       Gesetzgebungsprozess kaum zu bewältigen.
       
       ## Knackpunkt Backstop
       
       Johnson droht mit einem chaotischen Brexit, sollte sich die EU nicht auf
       seine Forderung nach Änderungen am Austrittsabkommen einlassen. Mehrmals
       hatte er in den vergangenen Tagen gewarnt, Brüssel solle sich nicht darauf
       verlassen, dass die Abgeordneten einen No Deal verhindern würden. Sollte es
       tatsächlich dazu kommen, wird mit drastischen Konsequenzen für die
       Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals gerechnet.
       
       Knackpunkt im Streit zwischen London und Brüssel ist vor allem der
       sogenannte Backstop. Diese Klausel würde Großbritannien so lange an
       bestimmte EU-Regeln binden, bis eine andere Lösung zur Vermeidung von
       Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz
       Nordirland gefunden ist. London sieht darin inakzeptable Fesseln. Das
       Austrittsabkommen scheiterte bereits dreimal im Parlament.
       
       Das Unterhaus kommt nach der Sommerpause nächste Woche erstmals zusammen.
       Schon in der Woche danach beginnt die viereinhalbwöchige Zwangspause. Sie
       soll erst enden, wenn die Queen am 14. Oktober das neue Regierungsprogramm
       verliest.
       
       Es bleibe genügend Zeit für alle nötigen Debatten, beschwichtigte Johnson
       am Mittwoch in einem Brief an alle Abgeordneten. „Wenn es mir gelingt,
       einen Deal mit der EU auszuhandeln, hat das Parlament die Gelegenheit, das
       zur Ratifizierung eines solchen Deals nötige Gesetz vor dem 31. Oktober zu
       verabschieden.“
       
       ## Zuspruch von Trump
       
       Parlamentspräsident John Bercow sprach von einem „Frevel an der
       Verfassung“. Der frühere Schatzkanzler und Parteifreund Johnsons, Philip
       Hammond, twitterte: „Zutiefst undemokratisch.“ Es sei eine Schande, wenn
       das Parlament davon abgehalten werde, der Regierung in Zeiten einer
       nationalen Krise auf die Finger zu schauen.
       
       Oppositionsführer und Labourchef Jeremy Corbyn kündigte trotz der
       Zwangspause einen Versuch an, den No-Deal-Brexit per Gesetz zu verhindern.
       Auch ein Misstrauensantrag gegen die Regierung will er „zu gegebener Zeit“
       einreichen. Ob sich dafür derzeit eine Mehrheit fände, ist ungewiss.
       
       Zuspruch erhielt der britische Premier von US-Präsident Donald Trump, der
       Johnson als „großartig“ lobte. Es werde nun „sehr schwierig“ für Corbyn,
       ein Misstrauensvotum gegen Johnson anzustrengen, schrieb Trump im
       Kurzbotschaftendienst Twitter. Johnson und Trump gelten als Verbündete;
       schon beim G7-Gipfel in Biarritz am Wochenende hatte der US-Präsident
       Johnson als den „richtigen Mann“ zur Umsetzung des Brexit bezeichnet.
       
       29 Aug 2019
       
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