# taz.de -- Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Die Vorzüge der Klammer (vor z. B. Anführungszeichen)
       
       Manche Leute (zum Beispiel ich) halten die Klammer für die letztlich
       attraktivere Verwandte des Anführungszeichens. Das Anführungszeichen
       stolpert nur noch ironisch-selbstverliebt durch eine Zeit, in der
       bekanntlich längst Schluss sein muss mit Ironie. Die Klammer jedoch ist der
       Faustschlag, das Ausrufezeichen, die gelungene Mischung aus Rätselsprech
       und Direktheit. Wie viel schöner klingt schließlich „Ich habe kein
       Interesse (an dieser Band)“ als „Ich habe kein ‚Interesse‘ an dieser Band“?
       
       Aussagen werden durch Klammern überhöht, oder abgeschwächt, oder verdreht.
       In jedem Fall auf eine Weise veredelt, die die Endnutzer herausfordert. Wer
       traut sich, „I love you (but you are boring)“ von Beautiful South auf dem
       Mixtape für die umworbene Person zu platzieren? Wer kann schon genau sagen,
       was einen auf der Veranstaltung „Smartphones & Apps veranwortungsvoll im
       politischen (fußball-) Alltag nutzen“ (29. 8, Fanräume FC St. Pauli)
       tatsächlich erwartet?
       
       Was plant Katja von Bauske (1. 9., Fabrique im Gängeviertel), in deren Lied
       „Starten und Landen“ es heißt: „Hab Mut, was soll passieren? Das Leben ist
       hier. Lass es (UNS?) riskieren!“ Und auch die Großmeister des grotesken
       Humors haben das Potenzial dieser grammatikalischen Kulturtechnik schon
       länger erkannt. Zum Beispiel Helge Schneider (31. 8., Stadtpark,
       Freilichtbühne). Natürlich findet sich auf keiner seiner bislang circa
       zwölf Studioalben ein Lied, das mit Anführungszeichen operiert. Dafür aber
       diverse Titel mit eingeklammerten Zusätzen. Auf seiner neuesten Platte
       widmet er sich ihnen nun geradezu ausgiebig. Gleich drei Songtitel weisen
       Klammern auf. Und der Titel der Platte lautet stilgerecht: „Partypeople
       (beim Fleischer)“.
       
       Die Meinungen über das Werk selbst gehen übrigens ein wenig auseinander.
       Manche bemängeln, dass Schneider sich musikalisch weitgehend auserzählt
       hat, andere geben zu bedenken, dass allzu langes Wandern auf dem Grat
       zwischen Anarchismus und Infantilismus irgendwann seinen Reiz verliert. Und
       plötzlich ist man zum „Kultkomiker“ (WOM) regrediert. Alle, die das nicht
       glauben wollen, sollen es sich einfach selbst anschauen (oder es lassen).
       
       31 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nils Schuhmacher
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA