# taz.de -- berliner verkäuferinnen und wie sie den laden hier am laufen halten: Heute: Antje Deutschmann
(IMG) Bild: Antje Deutschmann
Manche Kunden schnappen sichtbar nach Luft, wenn sie das erste Mal das
Geschäft in der Florastraße betreten. Vor den Vitrinen voller blitzender
Messer wirkt Antje Deutschmann noch viel zierlicher, als sie ohnehin ist,
wie die Hauptdarstellerin eines Theaterstücks mit hypermodernem Bühnenbild.
Sie kennt den Effekt und lässt ihn bei Neukunden gern einen Moment wirken.
Die gelernte Schneiderin ist Inhaberin und einzige Verkäuferin des
Fachgeschäfts für Messer und Scheren direkt am S-Bahnhof Pankow, ein
Familienunternehmen in vierter Generation mit Stammsitz in Bernau, das mit
dem Slogan „Scharfe Klingen seit 100 Jahren“ wirbt. „Meine beiden Brüder
sind auch in der Branche geblieben und handeln mit Profi-Werkzeugen. Wir
kennen das Geschäft seit frühester Kindheit. Mit meiner Qualifikation
könnte ich auch genauso gut deren Kettensägen verkaufen.“
Vor zwanzig Jahren ergriff die alleinerziehende Mutter die Chance, eine
Dependance zu gründen, als ein Ladenlokal in der Nordberliner Toplage zur
Vermietung stand. Direkt gegenüber ist eine renommierte Dentalklinik,
weswegen Antje Deutschmann oft Kunden hat, die gerade nicht so gut sprechen
können.
Messer zu verkaufen, das sei wie eine Sucht, erzählt Antje Deutschmann, bei
allem Stress merke sie das besonders, wenn sie im Urlaub sei und den Laden
vermisse. Klar gebe es ab und zu „Montagskunden, die wenig Achtung vor
guten Messern haben oder minderwertige Scheren zum Schleifen bringen. Die
versuche ich dann durch fachliche Beratung zu umschmeicheln, und das klappt
fast immer.“ Die große Mehrheit ihrer Kundinnen und Kunden aber gehört zu
den immer zahlreicher werdenden Menschen, die gern Zeit in der Küche
verbringen und für die scharfe, qualitativ gute Messer fast einen
Fetischcharakter hätten. „Menschen, die gern viele Messer besitzen, haben
aus meiner Sicht oft einen kleinen Tick, im positiven Sinn.“
Die vielen Kochshows im Fernsehen, glaubt Antje Deutschmann, hätten dazu
beigetragen, dass viele Menschen sich heute bewusster ernähren und mehr
Sensibilität für Küchenwerkzeuge entwickelt haben. Viele dieser Kunden
stellen ihre Messerkollektion gern an Magnetboards in ihren Küchen zur
Schau. Neben einem zunehmenden Interesse an furchteinflößenden Showmessern
mit wild gemusterten Griffen, die etwa bei Grillfesten in Golfclubs zum
Einsatz kommen, beobachtet Deutschmann einen sich ausdifferenzierenden
Geschmack für Messer bei Männern und Frauen. „Frauen bevorzugen Messer mit
Griffen aus Olivenholz, achten mehr auf die Optik. Für Männer spielt die
Funktionalität die größere Rolle, sie wählen eher Griffe aus dunklem
Walnussholz oder schwarzem Kunststoff.“ Es gehört zum Service des
Fachgeschäfts, beim Kauf eines Messers von Deutschmann in die richtige
Verwendung von Wetzsteinen und Messerschärfern eingewiesen zu werden. Mit
einem fast ehrfurchtgebietenden Lächeln führt Deutschmann vor, wie man
Klingen auch zu Hause richtig scharf bekommt.
Etwas versteckt, kaum auffindbar in den Schubladen, verfügt Antje
Deutschmann auch über eine Waffenlizenz für den Verkauf etwa von
Luftgewehren, die im Unterschied zum Stammsitz des Familienunternehmens,
das Deutschmanns 70-jährige Mutter in Bernau betreibt, in Pankow nur sehr
selten verlangt werden. Deutschmann verlagerte das Zusatzangebot in Pankow
deswegen auf hochwertiges Kochgeschirr und Küchenutensilien wie
Trockentücher mit maritimem Dekor.
Antje Deutschmann wird demnächst auch den Betrieb in Bernau weiterführen,
einige ihrer Kunden wissen das längst und planen Ausflüge in den Stammsitz
des Traditionsunternehmens.
Dorothee Wenner
26 Jul 2019
## AUTOREN
(DIR) Dorothee Wenner
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