# taz.de -- Ein-Frau-Show mit Suppendosen
       
       > Billie Trix aus Berlin zieht nach New York: Das britische Popduo Pet Shop
       > Boys hat eine Nummernrevue entwickelt. „Musik“ feierte im schottischen
       > Edinburgh seine Premiere
       
 (IMG) Bild: Frances Barber singt Billie Trix
       
       Von Martin Hossbach
       
       Am Montagabend wurde im Rahmen des Fringe-Theaterfestivals in Edinburgh mit
       „Musik“ die zweite Zusammenarbeit der Pet Shop Boys mit dem Theater- und
       TV-Autor Jonathan Harvey im kleinen Rahmen vor 200 begeisterten
       Zuschauer*innen in einem Zirkuszelt uraufgeführt, das mitten auf der
       zentral gelegenen George Street im Zentrum der schottischen Hauptstadt
       steht.
       
       „Musik bin ich, ich bin Musik“ – Billie Trix, die von Harvey und den Pet
       Shop Boys ursprünglich vor gut zwanzig Jahren in mehreren Workshops
       entwickelte einzige Figur im einstündigen Stück „Musik“, trat erstmals im
       Jahr 2001 in Erscheinung. Damals hatte im Londoner West End das gemeinsam
       verfasste Stück „Closer to Heaven“ Premiere. Die Pet Shop Boys, Neil
       Tennant und Chris Lowe, fanden solchen Gefallen an der Figur, dass sie vor
       drei Jahren beschlossen, zusammen mit Harvey Trix’ Geschichte
       auszuschmücken. Erneut wird sie von Frances Barber, einer englischen
       Theater- und TV-Schauspielerin, gespielt. Das Duo hat ihr vier neue Stücke
       auf den Leib geschrieben.
       
       Anfang der 1950er Jahre geboren, blickt Billie Trix in der One-Woman-Show
       auf ihr Leben zurück, auf eine bewegte und bewegende Karriere, die sie von
       Berlin nach Paris, London und New York führt. Frances Barber spielt Trix
       als rotzfreche, größenwahnsinnige, durchgeknallte und koksende
       Showbiz-Veteranin mit starkem deutschen Akzent und einer an Bonnie Tyler
       erinnernden, leicht brüchigen Stimme, der niemand mehr etwas vormachen
       kann.
       
       ## Sie kannte sie alle
       
       Sie hatte und kannte sie alle – Mick Jagger, Rudolf Nurejew, Frank Zappa.
       Trix’ Leben gestalten Harvey, Tennant und Lowe auf der nur mit einem
       Stehtisch und einem Barhocker ausgestatteten Bühne als Nummernrevue, in
       der Trix ihre größten Hits singt. Die Musik kommt vom Band, was der
       Stimmung keinerlei Abbruch tut, denn Barber zieht das Publikum von der
       ersten Minuten an in den Bann: Ihr rasant vorgetragenes
       Stand-up-Comedy-Gag-Feuerwerk ist überwältigend.
       
       Billie Trix wächst im Nachkriegs-Berlin auf. Sobald sie kann, zieht sie
       nach New York. Bereits während der Überfahrt lernt sie den Matrosen Otto
       kennen, der sich ihr Jahrzehnte später in New York als Donald vorstellt –
       Donald Trump. In Paris dreht sie einen Porno – in der Kunstsprache „Bunst“.
       Sie wird drogenabhängig und nimmt ihre erste Überdosis, als ihr jemand mit
       Heroin versetzte Blutwürste reicht. Zurück in New York hat sie eine Affäre
       mit Andy Warhol, der Billie Trix übrigens erst zu Billie Trix macht –
       zunächst heißt sie schlicht Hildegard. Im Gegenzug bringt Trix Warhol auf
       die Idee, mit Campbell’s Suppendosen zu arbeiten, indem sie ihm eine
       Dosensuppe der Firma Campbell aufwärmt. Der dazugehörige Song heißt …
       „Soup“. Sie schreibt ein Protestlied gegen den Vietnamkrieg („Run Girl
       Run“), einen Schlager („Ich bin Musik“), der das Publikum zum Mitklatschen
       animiert, und als Berlin-Reminiszenz eine Kabarett-Nummer („Mongrel“), die
       laut Barber, „an die in der Weimarer Zeit in Berlin für Bertolt Brecht und
       Kurt Weill singende Lotte Lenya“ angelehnt ist.
       
       Die stilistische Bandbreite, die die Pet Shop Boys in den Songs von „Musik“
       abdecken, ist beeindruckend. Noch immer zeigen sich der 65-jährige Tennant
       und der 59-jährige Lowe, die sich 1981 kennenlernten und 1984 ihre ersten
       Stücke veröffentlichten, als begnadete Songwriter, nicht ohne Grund sind
       sie das kommerziell erfolgreichste britische Pop-Duo aller Zeiten. Neil
       Tennants Liedtexte für „Musik“, sind mit sub- und popkulturellen Referenzen
       nur so gespickt: In „Ich bin Musik“ singt Billie Trix plötzlich von „Taxi
       zum Klo“, dem berühmt-berüchtigten Spielfilm von Frank Ripploh aus dem Jahr
       1980, der einem Lehrer durch die schwule Subkultur Berlins folgt – Tennant
       und Lowe sahen den Film direkt nach seiner Veröffentlichung in London, „so
       alt sind wir schon“, prustet Chris Lowe beim anschließenden Empfang.
       
       Überhaupt haben Tennant und Lowe eine enge Beziehung zu Berlin. Ihr
       kommendes Album haben sie komplett in der deutschen Hauptstadt eingespielt,
       wo sie eine Wohnung und ein kleines Aufnahmestudio nutzen. Die sechs Stücke
       aus „Musik“ sind seit Dienstagmorgen auf allen Streamingplattformen
       verfügbar. Ende September feiert Hanif Kureishis auf dem gleichnamigen Film
       basierende Theaterstück „My Beautiful Launderette“ in Leicester Premiere,
       für das die Pet Shop Boys ebenfalls Musik komponiert haben. Und das neue
       Studioalbum? „Ist fertig!“, kommt es wie aus der Pistole geschossen von
       Chris Lowe, bevor sich Neil Tennant tatsächlich und ohne Witz mit einem
       „Tschüssikowski“ in die Nacht verabschiedet.
       
       7 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Hossbach
       
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