# taz.de -- nordđŸŸthema: Der Schnaps, der von alten FĂ€ssern lebt
       
       > Korn hat ein schlechtes Image. Eine traditionsreiche und eine junge
       > Kornmanufaktur aus dem Hamburger Großraum zeigt, wie hochwertig und
       > vielfÀltig der Schnaps sein kann
       
 (IMG) Bild: Auch Handarbeit: Bei jeder Flasche Elmendorfer Korn wird notiert, aus welchem Fass der Korn stammt – alle FĂ€sser haben Namen
       
       Von Philipp Effenberger
       
       Lange war die Spirituose Korn als Billigschnaps verteufelt, der zusammen
       mit einem Bier zum „Herrengedeck“ oder auf lĂ€ndlichen SchĂŒtzenfesten
       heruntergespĂŒlt wurde. Auch in Hamburger Spelunken wird Korn serviert, oft
       als „Fako“, gemischt mit Fanta. Doch in letzter Zeit gewinnt der Schnaps
       wieder an Beliebtheit, vor allem im Großraum Hamburg.
       
       Das zeigt der jÀhrlichen Bericht des Bundesverbandes der deutschen
       Spirituosenindustrie und -Importeure (BSI) von 2018. Dem Bericht zufolge
       gibt es einen anhaltenden Trend zu hoher QualitĂ€t bei Spirituosen – vor
       allem bei Gin, Pfefferminzlikör, Wodka und eben auch Korn.
       
       Eine Brennerei, die mit alten Vorurteilen aufrÀumen will, ist die
       Kornmanufaktur Elmendorf in Hamburg-Winterhude. „Wir sind seit circa 18
       Jahren mit einem BĂŒro in Hamburg, die Produktion ist 2014 nachgezogen“,
       sagt Kai Elmendorf. Er und seine Frau leiten das Familienunternehmen
       bereits in der neunten Generation. Vorher war die Brennerei ĂŒber 300 Jahre
       bei Bielefeld ansÀssig. Ab 2021 will sie in den ehemaligen Hamburger
       Fleischgroßmarkt umziehen.
       
       Elmendorf erklĂ€rt, was guten von schlechten Korn unterscheidet. „Wir
       verwenden ausschließlich Bio-Weizen sowie Wasser mit dem HĂ€rtegrad null. Je
       weicher das Wasser, je milder die Spirituose“, sagt Elmendorf. „Das
       Wichtigste ist unsere Fasslagerung. Wir lagern den Korn unter anderem in
       uralten FĂ€ssern, die schon seit 150 Jahren im Besitz unserer Familie sind.
       Dadurch erhĂ€lt der Korn seine goldene Farbe und seinen ĂŒberraschend milden
       Geschmack.“ Die hölzernen SchnapsfĂ€sser tragen Namen von
       Familienmitgliedern. Die Neusten sind benannt nach den Kindern, Nichten und
       Neffen.
       
       Doch wie genau brennt man einen guten Korn? Der Schnaps wird zumeist aus
       Weizen gebrannt, zulÀssig sind unter anderem auch Gerste und Roggen. Das
       Korndestillat wird durch einfache oder auch mehrfache Destillation der
       vergorenen Maische gewonnen. Das Destillat wird anschließend mit Wasser auf
       60 Prozent Alkohol verdĂŒnnt. Guter Korn reift anschließend, Ă€hnlich wie
       Whisky, in HolzfÀssern.
       
       Nach der Reifung wird er gefiltert und der Alkoholgehalt auf TrinkstÀrke
       gesenkt. „Wir verzichten hierbei ausdrĂŒcklich auf eine KĂ€ltefiltration,
       welche in der Regel in der industriellen Fertigung angewendet wird“,
       beteuert Elmendorf. Dadurch blieben die Aromen des Weizens vollstÀndig
       erhalten. Bei der KĂ€ltefiltration wird das Destillat auf Temperaturen um
       den Gefrierpunkt abgekĂŒhlt, wodurch sich Schwebstoffe wie feine Holzfasern
       verdicken und leichter herausfiltern lassen. Bei diesem Verfahren werden
       unbeabsichtigt auch FettsÀuren und Proteine entfernt, wodurch sich der
       Geschmack verÀndern kann. Bei 35 Prozent Alkoholgehalt spricht man von
       Korn, ab 37,5 Prozent von Doppelkorn.
       
       In den 1970ern und 80ern habe auch Elmendorf den klassischen Massenkorn
       produziert. Mit dem Umzug nach Hamburg habe man sich wieder auf Handarbeit
       und Fasslagerung ausgerichtet. „Wir konnten zeigen, dass Korn mehr ist als
       nur ein billiger Schnaps“, sagt Elmendorf. „Wenn er gut gemacht ist, kann
       Korn ein sehr guter Digestif sein.“ Derzeit brenne das Unternehmen noch in
       einer Gemeinschaftsbrennerei in Dortmund. Das Reifen, AbfĂŒllen und
       Etikettieren der Flaschen geschieht jedoch in Hamburg.
       
       Eine weitere Kornmanufaktur, mit Standorten in Hamburg und Bremen, hat sich
       ebenfalls zum Ziel gesetzt, den Korn wieder salonfÀhig zu machen. Johann
       Dallmeyer grĂŒndete 2016 zusammen mit seiner Schwester und zwei Freunden die
       Kornmarke Nork. „Korn hat ein Imageproblem und kein Geschmacksproblem“,
       stellt Dallmeyer fest. Der Schnaps sei vielfÀltig und hochwertig. Nork
       solle den Korn wieder aus der Schmuddelecke herausholen.
       
       Kai Elmendorf erklÀrt, warum dem Korn, der seit dem 15. Jahrhundert vor
       allem im kargen Norden und in Westfalen verbreitet ist, das Klischee eines
       Dorfschnapses nachhĂ€ngt: „Beim Kornbrennen entsteht die Schlempe als
       Restprodukt, welche frĂŒher als hervorragendes eiweißhaltiges Viehfutter
       diente. Dadurch hatten die Landwirte die Möglichkeit, doppelt so viel Vieh
       auf ihrem Hof zu halten. Doppelt so viel Vieh ergibt mehr DĂŒnger und fĂŒhrt
       zu einer besseren Ernte“, erzĂ€hlt Elmendorf. „Deshalb wurde das Brennen von
       Korn außerhalb der Stadtmauern erlaubt, was sehr unĂŒblich war.“
       
       Wie dörflich das Brennen vorn Korn geprÀgt war, zeigt sich an einem lÀngst
       vergangenen Mitarbeiter*innen-Streik in der Elmendorfer Brennerei. „Grund
       des Streiks Mitte des 19. Jahrhunderts war der Streit um die Verwertung der
       ‚Schiete‘ der Mitarbeiter, die sie wĂ€hrend der Arbeit auf unseren
       Plumpsklos ließen. Sie waren aufgebracht darĂŒber, dass unsere Firma ihre
       ‚Schiete‘ nutzt, um unseren Acker zu dĂŒngen. Sie fanden das höchst
       ungerecht, denn die Jauche war damals ein wertvoller DĂŒnger. Der Streik
       endete mit der Einigung, dass die Mitarbeiter jede Woche einen Eimer ihrer
       ‚Schiete‘ mit nach Hause nehmen durften – zur DĂŒngung ihrer eigenen kleinen
       Felder.“
       
       In der Kornmanufaktur Elmendorf wird heutzutage wieder ein ganz
       traditioneller Korn gebrannt. „Und zwar mit Geschmack, Fasslagerung und 35
       Prozent Alkoholgehalt, so wie ihn meine Ur-ur-ur-ur-Großeltern gebrannt
       haben“, sagt Elmendorf.
       
       Im Gegensatz zur 300-jÀhrigen lÀndlichen Tradition von Elmendorf pflege
       Nork ein urbanes und modernes Image, sagt MitgrĂŒnder Johann Dallmeyer. Den
       Schnaps könne man nicht nur pur genießen, er eigne sich auch gut fĂŒr Drinks
       und Cocktails. „Man merkt, dass der Korn zurĂŒckkommt. Seit wir 2016
       angefangen haben, sind bestimmt fĂŒnf weitere Kornmanufakturen im Großraum
       Hamburg entstanden“, schĂ€tzt Dallmeyer.
       
       27 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Effenberger
       
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