# taz.de -- Eine ambivalente Mischung
       
       > Rosen, Kreuz und ein Kassettenrecorder: Der US-amerikanische
       > Performancekünstler Preach R Sun zeigt Aktionskunst auf dem Tempelhofer
       > Feld und vor der Genezareth-Kirche. Zurück bleibt Unbehagen
       
       Von Annina Bachmeier
       
       Auf dem Tempelhofer Feld, gleich neben den Gemeinschaftsgärten, legt am
       Sonntagnachmittag ein Mann ein weißes Kreuz, einen Kranz aus Draht mit
       hineingesteckten Rosenköpfen und einen Kassettenrecorder auf das Rollfeld.
       Der Mann ist Preach R Sun aus den USA, er beteiligt sich am Projekt
       „Transit“ der „Association of Performance Art Berlin“, die an drei
       verschiedenen Sonntagen im Juli Performancekünstler, die durch die Stadt
       reisen, eingeladen hat, um ihre Kunst am Tempelhofer Feld als einem
       klassischen „Transit-Ort“ zu zeigen.
       
       Während seiner Aktion wird sich Preach R Sun bis auf die Unterhose
       ausziehen, um sich dann mit schwarzer Farbe einzucremen (dabei handelt es
       sich nicht um Blackfacing, weil er ein schwarzer Künstler ist). Als er
       komplett mit schwarzer Farbe bedeckt ist, schreibt er „Other“ auf den
       unteren Längsbalken des weißen Kreuzes und tackert sich mit einem Hefter
       die Flaggen verschiedener Länder in die Haut von Brust und Oberkörper. Die
       amerikanische Flagge tackert er in den Unterarm und streckt die Faust in
       Siegerpose in den Himmel.
       
       Nun geht er zwischen den Menschen, die im Kreis um ihn auf dem Feld stehen,
       herum, verteilt Rosen und schaut manchen für einige Zeit in die Augen. Er
       streift Knieschoner über, setzt die Dornenkrone auf und klebt den
       Kassettenrecorder mittig auf das weiße Kreuz, stellt Musik an, schultert
       das Kreuz und beginnt auf Knien über das Feld, die Herrfurthstraße hinauf
       bis vor die Genezareth-Kirche und das Café Selig zu gehen oder vielmehr zu
       kriechen.
       
       Preach R Sun sagt über sich selbst, dass er eher Aktivist als
       Performancekünstler sei. Er möchte mit seiner Kunst gesellschaftliche
       Missstände aufzeigen und Menschen von Zwängen befreien – inwieweit er mit
       seiner Performance in der Neuköllner Sonntagnachmittagsidylle auf
       Verständnis gestoßen ist, ist aber fraglich. Er zieht zwar Blicke auf sich,
       Menschen machen Fotos oder filmen ihn, viele wirken jedoch eher befremdet
       von der großen Geste mit der Dornenkrone und dem Kreuz, oder sie scheinen
       zu denken, dass es sich dabei um eine Art „Pro-Kirche“-Veranstaltung
       handelt. Eine Gruppe von Mädchen kommentiert im Vorbeigehen: „Die Christen
       spinnen auch komplett.“ Eine ältere Frau fragt laut: „Weeßte, was det hier
       soll?“
       
       Vor der Kirche legt Preach R Sun das Kreuz ins Gras, geht auf die Terrasse
       des Café Selig und fordert einige Gäste auf, ihm die Flaggen mit den
       Heftnadeln aus der Haut zu reißen. Manche weigern sich, auf den Gesichtern
       derer, die es doch tun, spiegelt sich eine ambivalente Mischung aus Angst
       davor, einem unbekannten Menschen Schmerz zuzufügen, aber auch nicht „Nein“
       sagen zu wollen – vielleicht gerade, weil es sich hier um einen schwarzen
       Mann handelt, dessen Kunst eine Demonstration gegen die Unterdrückung von
       People of Color ist.
       
       So werden Menschen, die bis vor wenigen Minuten nichts ahnend in einem Café
       saßen, nun im Namen von politischer Kunst dazu gebracht werden, etwas zu
       tun, was sie eigentlich nicht tun wollen – gerade weil sie den Künstler
       nicht zurückweisen möchten. Nach der Performance bleibt daher ein Unbehagen
       übrig und die Frage, ob solche Gefühle von Preach R Sun beabsichtigt waren
       und ob seine dramatisch angelegten Performances viel mehr erzeugen als neue
       Zwänge zwischen Menschen.
       
       24 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annina Bachmeier
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA