# taz.de -- JÜRN KRUSE DER WOCHENENDKRIMI: Der durch die Wände kommt
       
       Schon sehr bald bricht es aus Sarah Brandt (Sibel Kekilli) heraus: „Fuck
       die Fakten!“, brüllt sie Chef Borowski (Axel Milberg) und Noch-mehr-Chef
       Kriminalrat Schladitz an, „wir verplempern Zeit. Der Typ ist ein
       Psychopath. Jetzt hockt der irgendwo in irgendeiner Wohnung, lauert auf
       sein nächstes Opfer und wichst sich einen.“ Brandt presst die Worte so
       schnell durch ihre Schneidezähne, dass sich das Wort „irgendeiner“ wie
       „meiner“ anhört: In meiner Wohnung.
       
       Dabei weiß sie noch gar nicht, dass sie eines der nächsten Opfer auf der
       Liste des Stalkers Kai Korthals ist, gespielt von Lars Eidinger („Alle
       anderen“).
       
       Im neuesten Borowski-„Tatort“ von Sascha Arango (Autor) und Christian
       Alvart (Regie) geht es nicht darum, mitzurätseln, wer wohl der Täter ist.
       Das ist sowieso immer der, der in der ersten Viertelstunde übertrieben
       detailliert eingeführt wird, dann eine knappe Stunde lang keine Rolle
       spielt und plötzlich wieder auftaucht. Nein, es geht darum, wann Borowski
       und Brandt auf ihn kommen und wie sie einen Perfektionisten überführen, der
       durch die Wände in die Wohnungen zu kommen scheint und der sich keine
       Handschuhe anzieht, sondern seine Hände mit Flüssiglatex bepinselt.
       
       Kühl kommt der Kieler „Tatort“ daher, farbengesättigt: skandinavische
       Krimischule kurz vor der dänischen Grenze. Und das passt zu diesem Film,
       der kein Kneipen-„Tatort“ ist, sondern das Psychogramm eines Stalkers, der
       sich fast liebevoll um seine Opfer kümmert, der es genießt, in das Leben
       anderer einzudringen, der an Schuhen schnuppert und angeknabberte Brezeln
       ableckt.
       
       Eidinger gibt dem Stalker auf seiner Suche nach Liebe ein Gesicht. Warum er
       bei dieser Suche nicht einfach zu ihr komme und sage: „Ich mag dich“, fragt
       sich Brandt. „Und was hätten Sie ihm gesagt?“, antwortet Borowski. „Na,
       verpiss dich.“ – „Sehen Sie, und dann wären Sie tot.“ So einfach kann ein
       guter „Tatort“ sein.
       
       ■ „Tatort“: „Borowski und der stille Gast“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
       
       8 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) JÜRN KRUSE
       
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