# taz.de -- Sieben Sorten Mangos aus Pakistan
       
       > „They died Laughing“ heißt die aktuelle Retrospektive im Gropius Bau.
       > Nicht ohne Grund. Die Künstlerin Bani Abidi blickt mit Humor auf Alltag
       > und Politik im indischen Subkontinent
       
 (IMG) Bild: Surrealistische Stadt: Schminken auf der Straße. Bani Abidi, „Karachi Series I“, 2009, Leuchtkästen
       
       Von Lorina Speder
       
       Die pakistanische Künstlerin Bani Abidi sitzt neben einer Frau am gedeckten
       Tisch, vor ihnen auf den Tellern liegen Messer und Mangos. Das Video, in
       dem die beiden die Früchte schälen, verzehren und sich unterhalten ist
       einer der vielen großartigen Arbeiten in Abidis Ausstellung „They Died
       Laughing“ im Gropius Bau. In der 20 Jahre umfassenden Retrospektive der
       Fotografin und Videokünstlerin wird das Video von 1999 in einem
       Röhrenfernseher gezeigt, der auf dem Boden installiert ist. Setzt man die
       Kopfhörer auf, hört man das Gespräch der frontal eingefangenen Frauen am
       Tisch, bei dem deutlich wird, dass die Gesprächspartnerin der Künstlerin
       aus Indien kommt. Während sie über Traditionen sprechen und sich durch die
       Mangos an ihre Kindheit erinnert fühlen, könnte man fast meinen, sie seien
       befreundet. Aber dann kommt die Frage auf, wie viele Sorten der Frucht man
       im eigenen Land kaufen könne, und es wird ungemütlich.
       
       Fünf seien es in Pakistan, sagt Abidi. Wie in einem Wettstreit übertrumpft
       ihre Nachbarin diese Behauptung und erwähnt, es gäbe sechs verschiedene
       Sorten in Indien. Abidi zieht darauf nach und korrigiert ihre Zahl auf
       sieben. Das anschließende Schweigen und ein bestimmendes „mmh“ verstärken
       die plötzlich aufgekommene Anspannung am Ende des Videos zusätzlich.
       
       ## Rivalen Indien und Pakistan
       
       In der beiläufig inszenierten Plauderei macht Abidi die menschliche
       Dimension der Folgen aus der religiösen Zweinationenlösung von 1947
       sichtbar. Denn die Rivalität zwischen Indien und Pakistan besteht noch
       immer. Seit dem Ende der britisch-indischen Kolonialzeit und der damit
       einhergehenden Teilung Indiens in das muslimische Pakistan und davon
       abgetrennt das hinduistische Indien, gab es vier bewaffnete
       Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern. Die letzte davon brach im
       Entstehungsjahr des Videos über die Zugehörigkeit der Region Kaschmir aus.
       Das Auswärtige Amt warnt noch heute vor Reisen ohne offizielle Genehmigung
       in die Grenzgebiete dieser Region. Ein Indiz, dass sich die Anspannung dort
       noch längst nicht gelegt hat. Das Video ist also noch immer aktuell. Das
       Schöne daran ist jedoch, dass Abidi den geopolitischen Konflikt für die
       BetrachterInnen auf rein persönlicher Ebene darstellt.
       
       Teilung, Trennung und der Umgang damit spielen in weiteren Werken von
       Abidis Ausstellung immer wieder eine Rolle. Dass der Gropius Bau wenige
       hundert Meter vom ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie liegt, rückt
       den Fokus zusätzlich auf die Trennung von Bevölkerungen durch
       Staatsgrenzen. Abidi hat eine besondere Verbindung zu Berlin. Nach ihrem
       Studium im pakistanischen Lahore und in Chicago kam die 1971 geborene
       Künstlerin durch ein Stipendium des DAAD Künstlerprogramms 2011 nach Berlin
       und lebt bis heute dort. In den folgenden Jahren stellte sie auf der
       dOCUMENTA 2012 in Kassel, bei der Berlin Biennale oder im n.b.k. aus.
       
       Abidis Arbeiten sind auch fernab ihrer Heimaten verständlich und auf
       Biennalen in Marrakesch, Gwangju oder Singapur gezeigt worden, weil sie
       trotz ernster Thematik einen humorvollen Ansatz verfolgen und die
       Dramatisierung der Probleme und Fragen durch die Politik mit Komik
       konterkarieren. Und so bearbeitet die Künstlerin zum Beispiel in ihren
       Darstellungen von Sicherheitsabsperrungen, diese mit digitalen Mitteln bis
       die Barrieren wie katalogisiertes Kinderspielzeug aussehen. Abidi
       inventarisierte die mauerartigen Gerüste bis 2018 und zeigt damit
       sinnbildlich das Terrorproblem und die Militarisierung in ihrer Heimatstadt
       Karatschi. Der kindliche Touch darin bricht die digitalen Drucke im Gropius
       Bau jedoch auf farbenfrohe Konstruktionen herunter.
       
       Ein weiteres Beispiel für Abidis Humor ist ihre fiktionale Videoarbeit
       „Reserved“ aus dem Jahr 2006, in der blau-weiße Sicherheitsabsperrungen
       überall in der Großstadt verteilt sind und den Verkehr aufhalten. Alles
       steht wegen eines hohen Staatsgastes still, der sich in einem
       Limousinen-Konvoi durch die von Autos befreiten Straßen bewegt und anonym
       bleibt. Den Fokus legte Abidi auf die Wartenden abseits des Konvois. Ob
       Schulkinder, im Fahrzeug Sitzende oder das spärliche im Saal wartende
       Publikum.
       
       Wo anfangs noch Unterhaltungen und Gelächter stattfinden, überwiegt nach
       einiger Zeit Resignation und Langeweile. Der zuerst mit Spannung erwartete
       Gast verliert schnell seine Wichtigkeit, die Sicherheitsinfrastruktur des
       Alltags wirkt nur noch nervend und nicht zweckgemäß sinnvoll. Abidi
       offenbart damit eine nichtoffizielle Seite der bürokratischen Realität, die
       oft Fragezeichen und Kopfschütteln hervorruft. Und das gibt dem
       politisierten Alltag in Pakistan ein selten sichtbares Gesicht.
       
       Bis 22. September, Gropius Bau, Niederkirchnerstraße 7, Mi.–Mo. 10–19 Uhr
       
       1 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lorina Speder
       
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