# taz.de -- inklusion im sport (II): Miro Miletic spielt Tennis nach dem Gehör
       
       > Tennis im Dunkeln, Eishockey im Sitzen, Tanzen ohne Beine: Ein Handicap
       > hindert Athlet*innen nicht, Leistung zu bringen. Hürden gibt es oft nur
       > in den Köpfen. Wir stellen im Sommer Sportler*innen aus dem Norden vor
       
 (IMG) Bild: Abb.: shutterstock.com
       
       Ready?“ Miro Miletic macht sich bereit zum Aufschlag, „Yes!“, schallt es
       von der gegenüberliegenden Seite des Spielfeldes herüber. „Play!“, ruft
       Miletic, er holt weit aus. Und dann: Kein lautes „Popp“, als der Ball den
       Schläger trifft, sondern ein Rasseln, das mit dem Aufprall lauter wird.
       Miletics Kopf schwenkt nach links, es sieht so aus, als würde er den Ball
       mit seinen Augen verfolgen – dabei ist es sein Gehör, das ihn leitet.
       
       Miletic sieht nur wenig von dem, was ihn umgibt, seine Sehstärke liegt bei
       zwei Prozent. Wenn jemand direkt vor ihm steht, erkennt er grobe Konturen,
       aber kein Gesicht. Und dennoch steht Miletic an diesem Mittwochnachmittag
       in der Betriebssporthalle in Hammerbrook, um Tennis zu spielen.
       Blindentennis, im Englischen auch „Sound Tennis“ genannt – womöglich der
       passendere Begriff. „Blind ist ja nicht gleich blind“, wird Miletic später
       am Rande des Trainings erklären. „Da gibt es viele Abstufungen. Und viele,
       die noch ein wenig Sehkraft haben, würden die auch gern nutzen.“
       
       Darin liege für ihn der Reiz: dass beim Blindentennis jeder nach seinen
       Möglichkeiten spielen könne. Die Spieler werden nach Sehstärke in drei
       Gruppen unterteilt, B1 bedeutet vollblind, in den Gruppen B2 und B3 spielen
       jene mit einer Sehstärke von zwei bis zu zehn Prozent. Eine Augenbrille,
       die den Blick komplett verdunkelt, wie etwa beim Blindenfußball üblich, ist
       dagegen keine Pflicht. „Ich mach mich doch nicht blinder, als ich bin!“,
       sagt Miletic und lacht.
       
       Die Regeln ähneln denen des regulären Tennis, mit ein paar Anpassungen: Der
       Ball muss drei Mal aufspringen, bevor er zurückgespielt wird, in der
       B3-Gruppe sind nur zwei Mal erlaubt. Das ist wichtig, denn bei jedem
       Aufprall hören die Spieler gut zu: Wie viel Wucht hat der Schlag, wo kommt
       der Ball auf, müssen sie gleich Vor- oder Rückhand nutzen? Das Spielfeld
       indes ist eher klein, Vollblinde spielen auf 12,8 mal 6,1 Metern,
       eingeschränkt Sehende haben ein wenig mehr Platz. Gespielt wird mit einem
       weichen Schaumstoffball, der mit Metallstiften gefüllt ist – daher das
       Rasseln. Damit sich die Sportler auf dem Spielfeld orientieren können,
       werden die Linien vorher mit einer Art weißem Klettband überklebt. Und
       jedem Aufschlag geht ein kurzer Wortwechsel („Ready?“) voraus.
       
       Blindentennis ist ein junger Sport. In den Achtzigerjahren in Japan
       entwickelt, fand er erst 2016 seinen Weg nach Deutschland. Ende 2017
       entstand dann in Hamburg die „Sparte Blindentennis“ bei der
       Betriebssportgemeinschaft Justiz Hamburg von 1955 e.V., auf Initiative von
       Richter Roland Hinz, der selbst mit einer Sehbehinderung lebt.
       
       Dass die Hamburger bislang nicht in einem eigenen Verein spielen, hat
       Gründe: Bei den großen Tennisvereinen in der Stadt kassierte Hinz erst mal
       nur Absagen, keiner war bereit, eine Sparte für Blinde zu grünen. Heute
       zählt die Hamburger Gruppe elf aktive Spieler, und gerade kommen immer mehr
       neue dazu, die Idee spricht sich rum. Miro Miletic, der als Jugendlicher
       schon Tennis spielte und erst im Erwachsenenalter fast erblindete, hat so
       zurück zu seinem Sport gefunden – und, für Sehende vielleicht schwer
       vorstellbar: Auf dem Spielfeld hat er sich einen sicheren Bewegungsraum
       erobert. „Es braucht erst mal Übung, sich zu orientieren. Aber mittlerweile
       fühle ich mich total sicher auf dem Feld. Es ist ein unbeschreibliches
       Gefühl, sich so frei zu bewegen und sich einfach auszupowern“, sagt er.
       Annika Lasarzik
       
       24 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annika Lasarzik
       
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