# taz.de -- Stadt, Nacht, Fuchs
       
       Von Bastian Thiery (Fotos) und Sara Tomšić (Text)
       
       Es gibt zwei Sorten von Menschen. Die einen glauben an Zufall, die anderen
       an Schicksal. Bastian Thiery erinnert sich an die Nacht vor zwei Jahren,
       als er aus seiner Wohnung trat und plötzlich einem Fuchs gegenüberstand.
       Mitten in Berlin-Neukölln. Das Tier humpelte, eine Pfote zog es nach. Es
       war neugierig, nicht scheu. Thiery holte seine Kamera hervor und schoss.
       „Es war ein magischer Moment“, sagt er. Zufall? Oder Schicksal? „Es hat
       sich angefühlt, als hätten wir uns verabredet.“
       
       Danach aber kann der Fotograf den Fuchs nicht vergessen. Er will ihn
       wiedersehen. Thiery macht sich auf die Suche, zwei Jahre lang. Er streunt
       nachts durch seine Nachbarschaft, versucht den Fuchs zu finden und findet
       anderes. Menschen, Gebäude, Motive, neue Eindrücke aus seiner
       Nachbarschaft, in der er seit zehn Jahren wohnt. Er geht immer in der
       Dunkelheit los. Die Perspektive ist neu für ihn. Die Gerüche, die
       Geräusche.
       
       Es beginnt eine Suche, die in einem Kennenlernen endet. Die Nacht zeigt dem
       Fotografen verborgene Facetten seiner Stadt. Er unterhält sich mit
       Nachbarn, mit denen er noch nie zuvor gesprochen hat. Einige von ihnen
       kennen den Fuchs. Auch er ist in diesem Viertel zu Hause. Thiery geht auf
       seiner Suche Wege, die außerhalb seiner alltäglichen Routine liegen. Und
       manchmal sitzt er einfach nur auf einer Bank und lauscht in die Dunkelheit.
       
       In einer Nacht im Frühjahr 2018 ist Thiery auf einem alten Fabrikgelände in
       der Nähe seiner Wohnung unterwegs. Plötzlich raschelt es im Gebüsch. Er
       duckt sich hinein, schiebt Zweige beiseite und: Da ist er. Der Fuchs schaut
       ihn an. Zufall? Es raschelt noch einmal und aus dem Gebüsch tapst ein
       zweiter Fuchs. Zwei Jahre sind vergangen und nun steht er wieder vor ihm.
       „Es hat sich angefühlt wie das Ende einer Reise. Plötzlich hat alles Sinn
       ergeben“, sagt Thiery. Schicksal. Das letzte Bild seiner Arbeit
       „Humpelfuchs“ macht der Fotograf in dieser Nacht.
       
       Bastian Thiery: „Humpelfuchs“, Auflage 135 Stück, 45 Euro
       
       1 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sara Tomsic
       
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