# taz.de -- Meerwasser zum Trinken
       
       > Zwei ehemalige Bochumer Studenten entwickeln eine
       > Mini-Meerwasser-Entsalzungsanlage. Sie ist umweltschonender und
       > effizienter als ihre Vorgänger. Nächstes Jahr sollen erste Testmodelle
       > nach Südosteuropa und Nordafrika verkauft werden
       
       von UTA BAIER
       
       Knapp einen Meter breit und nur drei Meter klein ist die
       Meerwasser-Entsalzungsanlage der Bochumer Ruhr-Universität. Ausgestattet
       mit vielen Schläuchen und Kabeln wirkt sie wie eine hochkomplizierte
       Erfindung. Doch der Schein trügt: „Im Prinzip verhält es sich bei dem
       Entsalzungprozess ähnlich wie beim Kochen“, erklärt Tobias Wendt vom
       Lehrstuhl für verfahrenstechnische Transportprozesse. „Wir versuchen auch
       nichts anderes, als Wasser und Salz durch Erhitzen voneinander zu lösen.“
       
       Dabei ist diese einfache Form der Trinkwassergewinnung umweltschonender und
       effizienter als ihre Vorgänger. Die am Ende überschüssigen Produkte – Luft
       und Sole (das übrige Salzwasser) – können problemlos zurück in die Umwelt
       geleitet werden. Zudem wird die Bochumer Pilotanlage, anders als ihre
       Pendants am Arabischen Golf oder in Israel, die eher der Größe eines
       Kraftwerks entsprechen, nicht mit Öl oder Kohle in Gang gehalten. „Wir
       haben uns vor drei Jahren zwei umweltfreundlichere Verfahren überlegt“,
       erklärt Thomas Brendel, heute bei Siemens Krefeld beschäftigt. Er war es,
       der 2002 zusammen mit seinem Kommilitonen Till Schlickum die
       Meerwasser-Entsalzungsanlage entwickelte. „Einerseits kann man die
       Verlustwärme von Kraftwerken oder Industrieanlagen nutzen“, sagt Brendel.
       Andererseits könne man sich aber auch die Wärme der Sonne zu eigen machen.
       Durch beide Verfahren würden nahezu keine Folgeschäden für die Umwelt
       enstehen. Und gleichzeitig werde viel Trinkwasser für die bedürftigen
       Menschen gewonnen.
       
       Das erhitzte Salzwasser aus dem Meer wird zunächst in einen Wasserzulauf
       geschüttet. Von dort läuft es dann durch ein kleines Rohr in eine weiße
       Schale, deren Boden durchlöchert ist. „So kann das Salzwasser nur langsam
       aus der Schale heraustropfen“, sagt Wendt, „und dem Salz wird viel Zeit
       gegeben, um sich vom Wasser zu lösen.“ Aus dem unteren Bereich der
       Meerwasser-Entsalzungsanlage strömt warme, trockene Luft, die das Wasser
       aufnimmt. „Wasser und Luft müssen erhitzt sein, weil warme Luft
       Feuchtigkeit besser aufnehmen kann,“ erklärt Wendt.
       
       Als nächstes steigt die feuchte Luft nach oben, während die Sole im unteren
       Bereich der Entsalzungsanlage gesammelt wird. „Jetzt wird die feuchte Luft
       wieder abgekühlt.“ Wasser und Luft trennen sich. Die Luft wird abgelassen
       und das entsalzte Wasser in einem kleinen Becken gesammelt. Die übrig
       gebliebene Sole wird entweder zurück ins Meer geführt, oder abgekühlt und
       durch die Kühlungsstäbe gejagt, um die feuchte Luft abzukühlen. „So halten
       wir den Energieverbrauch so gering wie möglich“, sagt der Wissenschaftler.
       
       Dies ist besonders für Entwicklungsländer in Afrika wichtig. Denn die
       dortigen Dorfgemeinschaften, denen die Entsalzungsanlage unter anderem
       dienen soll, verfügen oft gar nicht über die industrielle Infrastruktur.
       Deshalb können sie auch keine Verlustwärme nutzen, so dass gerade hier die
       Solarenergie unumgänglich ist. „Für 20 Liter Trinkwasser braucht man etwa
       einen Quadratmeter Sonnenkollektorfläche und zehn Stunden Sonnenschein pro
       Tag“, so Brendel.
       
       Da aber 20 Liter auch für eine kleine Dorfgemeinschaft nicht ausreichen
       dürften, ist die Kieler Firma Rexxon GmbH – Lizenznehmer der Bochumer
       Meerwasser-Entsalzungsanlage und Arbeitgeber von Till Schlickum –
       inzwischen dazu übergegangen, größere Anlagen zu fertigen. „Wir haben eine
       neue Pilotanlage an der Kieler Förde aufgestellt, die das Ostseewasser
       ansaugt und dann entsalzt“, sagt Helmut Möller, Vertriebsleiter bei Rexxon.
       Die Entsalzungsanlage habe bereits die Größe eines Eurocontainers
       angenommen, in den dann mehrere Anlagen – sogenannte Module – des Bochumer
       Prototyps eingebaut seien. „Wir sind heute soweit, dass ein Modul pro
       Stunde zwischen 100 und 200 Liter herstellen kann“, meint Möller. In einen
       ‚kleinen‘ 40-Fuss-Container passten allerdings schon acht solcher Module.
       Dementsprechend viel Trinkwasser könne so auch hergestellt werden.
       
       Für das nächste Jahr erhofft sich Helmut Möller, die
       Meerwasser-Entsalzungsanlagen in ersten Testphasen in dafür geeigneten
       Regionen aufzubauen: „Wir führen konkrete Gespräche mit Ägypten, Saudi-
       Arabien, der Türkei und Griechenland, um nur einige zu nennen. Unsere
       Piloten werden schon beweisen, dass sie funktionieren.“
       
       18 Aug 2005
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) UTA BAIER
       
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