# taz.de -- zwischen den rillen: Kein Wunderkind, kein Hund
       
 (IMG) Bild: Soccer Mommy: „Clean“ (Fat Possum/RoughTrade)Live: 22. 5. „Bumann & Sohn“, Köln; 23. 5. „Musik & Frieden“ Berlin; 24. 5. „Karlstorbahnhof“, Heidelberg
       
       Es gibt im Kulturbetrieb manch Etikett, das seinen Trägern mehr schadet als
       nutzt. „Wunderkind“ zum Beispiel – ein Lob, dessen implizite
       Erwartungshaltung wie ein Wackerstein am Hals der aufstrebenden Künstlerin
       hängt. Im Indie-Rock muss sich derzeit Sophie Allison alias Soccer Mommy
       mit dieser überlebensgroßen Auszeichnung herumschlagen.
       
       Noch nicht lange her, da lud die Künstlerin aus Nashville verhuschte, nur
       mit Gitarre instrumentierte Lo-Fi-Miniaturen auf der Plattform „bandcamp“
       hoch. Es folgten einige Tapes, die den Hype um die junge Frau befeuerten.
       Knapp zwei Jahre später hat die 21-Jährige mit ihrem Album „Clean“ bereits
       eine Rundfahrt durch viele Bestenlisten hinter sich.
       
       Allison wurde zudem gemeinsam mit Kolleginnen wie Courtney Barnett und St.
       Vincent zur Speerspitze einer angeblich neuen weiblichen Rockmusik erklärt.
       Eine These, die inhaltlich zwar nicht mehr bieten kann als die bloße
       Gemeinsamkeit Gitarre spielender Frauen, aber der Musikindustrie als
       Verwertungsstrategie dient. „Das ist ermüdend“, sagt Allison. „Es ist zwar
       toll, wenn damit Mädchen ermutigt werden, Rockmusik zu spielen.
       Andererseits verhindert es den Diskurs über die dahintersteckende Kunst.“
       
       Allisons Erfolgsgeheimnis liegt in der Leichtigkeit, mit der sie ihre
       Selbststudien zur emotionalen Blaupause macht. In ihren Songs geht es ums
       Erwachsenwerden, um diesen nervösen Zustand zwischen Angst und Zuversicht,
       Liebe und Enttäuschung. „Eigentlich komponiere ich immer nur für mich“,
       sagt sie. „Offensichtlich können sich viele damit identifizieren. Letztlich
       geht es nur darum, wie man als junger Mensch verzweifelt versucht, jemand
       anderes zu werden.“
       
       „Clean“ ist ihre erste „richtiges“ Platte, wie sie sagt. Eine Abkehr von
       den zusammengewürfelten Bedroom-Songs ihrer Anfangstage und ein Bekenntnis
       zum Album als kohärentes Format. „Ich wollte etwas schaffen, dass in sich
       stimmig ist.“ Das ist ihr gelungen, „Clean“ ist eine Platte, mit der sie
       den Spagat zwischen DIY-Punk-Vergangenheit und schimmerndem Indie-Pop
       mühelos meistert. Die Künstlerin, die bereits im Alter von fünf Jahren mit
       dem Gitarrenspiel begonnen hat, setzt dabei ihr Instrument extrem clever
       ein: Besonders mit dem Einsatz von offenen Stimmungen schafft sie einen
       sanft umflossenen Hallraum, der Platz für ihre eigene Stimme lässt.
       
       Was Soccer Mommy aber vor allem vom Lo-Fi-Rock-Bodensatz abhebt, ist die
       unverhohlene Liebe zu den großen Melodien des Radiopop. „Ich bin nun mal
       mit Avril Lavigne aufgewachsen. Ihre Musik wird immer einen Platz in meinem
       Herzen haben“, sagt Allison. Wie sie die Eingängigkeit zuckriger Refrains
       mit inhaltlichen Brüchen versetzt und verfremdet, macht „Clean“ so
       bemerkenswert. Da wird schon mal Iggy Pop eine charmante Absage erteilt. „I
       don’t wanna be your fucking dog“, macht sie in „Dog“ unmissverständlich
       klar.
       
       Bleibt also die Sache mit dem Wunderkind. Ob der plötzlich einsetzende
       Erfolg viel geändert habe, wurde Allison gefragt. „Na ja, ich treffe jetzt
       auch meine Idole, darunter sind leider ganz schöne Deppen“, antwortete
       Allison. „Man lernt schnell.“ Es scheint, als müsse man sich keine Sorgen
       um die Zukunft von Soccer Mommy machen. Alexander Graf
       
       20 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Graf
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA