# taz.de -- Die Wahrheit: Schnellkochtopf mit Gespenstern
       
       > Im mysteriösen Gong-Bad entweicht die Energie erst, wenn kräftig gefüßelt
       > wird. Dann aber gerät alles gar kräftig in Bewegung.
       
       Leichtgläubig ist der Mensch und anfällig für Hokuspokus – besonders, wenn
       er Rückenschmerzen hat. „Rückenschmerzen? Kein Wunder!“, sagte Teresa: „Man
       sieht ja, dass du völlig verspannt bist und dich von deinem wahren Selbst
       entfremdet hast. Was du brauchst, ist ein Gong-Bad!“
       
       „Gong-Bad …“, murmelte ich und dachte an so etwas wie Onkel Dagoberts
       Taler-Bassin. Tatsächlich aber liegt man bei einem Gong-Bad in einem
       Yogazentrum herum und wird vom Summen der Gongs zu einem Rundflug durchs
       Nirwana entführt. „Deine Wirbelsäule wird elastisch sein wie vor 40
       Jahren“, sagte Teresa, und weil ich es verheißungsvoll fand, die
       Rückenmalaise mit Rumliegen und Nichtstun loszuwerden, sagte ich zu.
       
       Schon bei unserer Ankunft schwante mir, dass ich mir das Ganze zu einfach
       vorgestellt hatte. „Sieht aus wie beim Jahrestreffen der
       Gespenstergewerkschaft“, sagte ich, denn die Mehrzahl der Gong-Bad-Besucher
       trug schneeweiße Klamotten. „Weiß ist das Licht, die Einheit von Körper und
       Geist“, sagte Teresa, die ebenfalls ein weißes Kleid anhatte.
       
       Immerhin war ich nicht der einzige in Jeans und T-Shirt. „Und warum wickeln
       sie sich Tücher um den Kopf?“ „Damit die Energie nicht entweichen kann.“ –
       „Aha, wie bei Schnellkochtöpfen …“, murmelte ich und beschloss, meine
       Strickmütze besser aufzubehalten: Denn hier war ich ein Fremder, der
       aufpassen sollte, nicht entdeckt zu werden.
       
       Wir begaben uns in den Saal. Bevor es losging mit Rumliegen und Nichtstun,
       mussten wir uns mit ausgesuchten Yogaübungen ein paar Energielevel aufwärts
       hieven. „Das Gong-Bad ist der Heavy Metal des New Age. Wenn die Chakren
       darauf nicht vorbereitet werden, fliegen sie auseinander wie Knallfrösche“,
       sagte der Gong-Meister, ehe er uns anhielt, die Wirbel rotieren zu lassen
       und so laut Mantras zu keuchen, dass die Nachbarn fürchten mussten, Vishnus
       heilige Horden würden das Abendland erstürmen.
       
       Endlich durften wir uns hinlegen: Die Gongs summten, und ich wartete
       darauf, dass ich losschweben und meine Rückenschmerzen auf der Erde
       zurücklassen würde. Vorerst indes begann nur Teresa zu schnarchen. Dann
       plötzlich kreischte eine Frau: „Ich spüre eine energetische Störung!“ Ich
       schluckte: Ich wusste, jetzt hatten sie mich! Die Frau aber rief: „Egon,
       wie kannst du …?!“ Offenbar hatte der Mann der rufenden Dame das
       besinnliche Rumliegen genutzt, um mit einer anderen Frau zu füßeln. Das
       aber war einer dritten Dame völlig schnurz: „Könnten Sie das draußen
       regeln?“, fauchte sie: „Ich habe nicht 30 Euro bezahlt, um an Ihren
       Eheproblemen teilzuhaben!“
       
       Im Nu hatte jeder im Saal dazu eine Meinung: Man keifte durcheinander,
       kriegte rote Köpfe, ein Gong-Schlegel sauste auf den Turban der füßelnden
       Frau, und während Teresa weiter schnarchte, stahl ich mich davon und eilte
       nach Hause, um meinen Rückenschmerzen mit einer soliden Dosis Ibuprofen
       davonzuflattern.
       
       21 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Schulz
       
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