# taz.de -- berliner szenen: Dinge, die unerklärlich sind
       
       Lautes Knarzen. Elif steigt mühsam in den 4. Stock. Das Haus in Moabit ist
       ein Altbau, marode, also gentrifiziert-ästhetisch. Ihr Koffer stößt bei
       jeder Stufe mit einem Rums gegen die Treppe. Ihre kortisonverseuchte Lunge
       hechelt erleichtert, als sie vor der braunen Holztür stehen bleibt. Vor 50
       Jahren werden hier Gastarbeiter gewohnt haben, die mit den hohen Wänden,
       die im Winter Eiseskälte bedeuten, wohl nichts anfangen konnten. Wieso
       Ästhetik, wenn man halb erfriert?
       
       Vermieterin Elena vermittelt die Wohnung für 85 Euro die Nacht. Sie hat
       blonde kurze Haare, ihr Kontaktbild scheint ein im Studio aufgenommenes
       Pseudo-Model-Bild zu sein. In ihrer Beschreibung stehen Sachen wie
       „reiselustig, immer unterwegs, offen für alles und jeden“. Elif sieht
       Bilder in ihrem Kopf, wie Elena Kindern in Namibia den Kopf streichelt und
       ihr dabei ein selbstbefriedigendes Gefühl im Gesicht abzulesen ist. Sie
       hasst die Vermieterin und ihre Reiselust.
       
       Der Wasserhahn im Badezimmer hat große Schimmelsporen und ein gelber,
       süffiger Fleck befindet sich am Rande des Beckens. Irgendwie empfindet sie
       keinen großen Ekel dabei, dreht sich um und wirft ihre Turnschuhe in den
       Flur. Sie öffnet ihr Postfach, durchforstet die ungelesenen Mails, vor
       denen sie sich seit Tagen drückt. Elif weiß, dass diese Phase des
       Aufschwungs kurz anhält, und während sie diesen Gedanken hat, beginnt ihr
       Kopf zu stottern. Sie greift nach ihrem Jutebeutel und kramt ein
       Falafelsandwich heraus. Sie weiß nicht, warum sie dieses teure,
       unschmackhafte Ding gekauft hat. In Cafés mit pastellfarbenen Wänden und
       gut aussehenden Männern tut sie Dinge, die ihr im Nachhinein unerklärlich
       sind. Auspacken, nicht auspacken? Pflegeprodukte rausholen? Nein,
       Badezimmer birgt Keimgefahr. Gibt es eine Kleiderstange? Schlucken.
       
       Yasmine M’Barek
       
       18 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Yasmine M'Barek
       
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