# taz.de -- Krise der Bundesliga-Vereine: Deutscher Fußball im Abseits
       
       > Die Bundesliga ist nicht mehr konkurrenzfähig. Kein Wunder – der
       > Antifußball, auf den die Klubs setzen, tötet jede Kreativität.
       
 (IMG) Bild: Als innovativ galt, was etwa RB Leipzig anstellte
       
       Als im Mai 2013 im Finale der Champions League mit dem FC Bayern und
       Borussia Dortmund erstmals zwei deutsche Mannschaften aufeinandertrafen,
       galt dies als Triumph des deutschen Klubfußballs. Die internationale Presse
       dichtete Hymnen auf die Bundesliga. Man vermutete, das „deutsche Finale“
       sei nur der Auftakt zu einer deutschen Ära im europäischen Klubfußball.
       
       Sechs Spielzeiten später hat keiner der vier deutschen
       Champions-League-Teilnehmer auch nur den Sprung ins Viertelfinale
       geschafft. Wohl aber Ajax Amsterdam und der FC Porto, weshalb die Klagen
       über den finanziellen Vorsprung der Premier League und die Fesseln von 50+1
       zu kurz greifen.
       
       Seit der Saison 2012/13 erreichte von den deutschen Klubs nur noch der FC
       Bayern wenigstens das Halbfinale der Champions League. 2015/16 war der
       Rekordmeister, trainiert von Pep Guardiola, vielleicht die beste Mannschaft
       Europas, scheiterte aber im Halbfinale etwas unglücklich an Atlético
       Madrid.
       
       Die Bayern besaßen zwar nicht den besten Kader, aber einen Trainer, der
       Spieler und Mannschaft besser machte, sie taktisch auf ein extrem hohes
       Niveau hob. Der Katalane war für die Bundesliga ein Entwicklungshelfer.
       Aber von seinen Ideen überlebten nur wenige. Und diese wurden häufig in
       verzerrter und verkürzter Form adaptiert.
       
       ## Fußball hängt von Spielphilosophien ab
       
       Vor Guardiola hatte die Bundesliga bereits [1][Jürgen Klopp an die Premier
       League] verloren. Kurz nach Klopp, im September 2015, ging auch Lucien
       Favre, der in der Saison 2010/11 die eigentlich schon zum Abstieg
       verurteilten Gladbacher auf bemerkenswerte Weise gerettet hatte. Nicht mit
       Abstiegskampffußball, sondern mit einer Verbesserung der Spielkultur.
       
       Beim BVB folgte auf Klopp Thomas Tuchel, dem es schnell gelang, den
       schwarz-gelben Fußball in Richtung Guardiola zu verändern. Was nicht
       einfach war mit einem Team, das sieben Jahre den kloppschen Vollgas-Fußball
       zelebriert hatte. Im Sommer 2017 war der BVB-Trainer Tuchel schon wieder
       Geschichte.
       
       [2][Dass die Bundesliga in den letzten Jahren an Qualität verlor], war
       nicht nur dem Umstand geschuldet, dass einige etablierte und einige
       kommende Stars ins Ausland wechselten und man sich die Messis und Ronaldos
       nicht leisten konnte. Für welchen Fußball eine Liga steht, hängt nicht nur
       vom Spielermaterial und finanziellen Mitteln ab, sondern auch von Trainern
       und deren Spielphilosophien.
       
       ## Deutscher Fußball entdeckte Spiel ohne Ball
       
       Das Abschneiden in der Europa League sagt manchmal noch mehr über die
       Qualität des Ligafußballs eines Landes aus als die Champions League.
       Spanien gewann nicht nur Europas erste Liga in Serie, sondern auch dessen
       zweite.
       
       In der Saison 2017/18 fiel auf, dass die deutschen Europa-League-Teilnehmer
       ratlos wirkten, wenn sie auf namenlose Gegner trafen. Anders als eine
       Spielzeit zuvor Ajax Amsterdam, das sich erst im Finale geschlagen geben
       musste. Aktuell widerlegen die Niederländer die weit verbreitete
       Auffassung, dass Außenseiter am besten damit fahren, sich hinten
       hineinzustellen.
       
       Die deutschen Teams hatten nicht ausreichend gelernt, selber das Spiel zu
       machen. Denn der deutsche Fußball hatte das Spiel ohne Ball entdeckt, den
       freiwilligen Verzicht auf seinen Besitz, die Fokussierung auf Reaktion
       statt Aktion. Anstatt eines ruhigen Spielaufbaus wurde „Umschaltfußball“
       gepredigt – das Spiel „gegen den Ball“, der tief erobert wird, um dann
       schnell zu kontern, mit langen Bällen in den Lauf.
       
       Entsprechend setzte man mehr auf Kämpfer und Sprinter als auf
       Kreativspieler beziehungsweise Spieler, die sich auf engen Räumen technisch
       behaupten können. Das Pressing wurde auf die Zerstörung des gegnerischen
       Spielaufbaues reduziert und wirkte deshalb als Ersatz für eine kreative
       Angriffsgestaltung. Hier besteht vielleicht der größte Mangel. Auch weil
       ein bestimmter Typ Spieler fehlt, der mutige Dribbler beziehungsweise
       Eins-gegen-eins-Akteur.
       
       Zum „Gegen den Ball“-Fußball gehört auch das Setzen auf den „zweiten Ball“.
       Dies bedeutet: Der Ball wird weit nach vorne geschlagen. Er darf (soll)
       beim Gegner landen, der dann unter Druck gesetzt wird – mit dem Ziel, den
       Ball in der Nähe des gegnerischen Tores zurückzuerobern. Die Folge: Tore
       werden nicht herausgespielt, sondern resultieren aus Fehlpässen und
       technischen Fehlern.
       
       ## Blutzufuhr aus Frankreich
       
       Als innovativ galt, was etwa RB Leipzig anstellte. Extremes Pressing und
       Umschaltspiel, was Andreas Lehner auf [3][spox.com] als „dauerhaften Stress
       und Hektik“ bezeichnete. Als die Bayern in der Saison 2017/18 die
       Pokalhürde RB erst im Elfmeterschießen nahmen, seien die Münchner „eine
       strukturelle Antwort bei elf gegen elf schuldig“ geblieben.
       
       „Sie spielten das Leipziger Spiel mit und waren dabei die schwächere
       Mannschaft. Dabei ist es erst ein paar Jahre her, als die Bayern unter Pep
       Guardiola auf jeden Gegner mit einem klar definierten Stil Lösungen fanden
       und im europäischen Fußball State of the Art waren.“
       
       Wenn gegen ein Team wie den FC Liverpool Defensivfußball angesagt ist, wie
       in Anfield der Fall, funktionieren die Bayern noch. Aber wenn sie selber
       angreifen und Tore schießen müssen, wie im Rückspiel in München, wird es
       schwierig. Nach der Saison 2017/18 gab Matthias Sammer zu bedenken:
       Leipzigs Stil sei „wichtig, aber kein Allheilmittel. (…) Wir müssen wieder
       die Genialität in den Fokus schieben.“
       
       Heute erhält die Bundesliga Blutzufuhr vor allem aus den Talentschmieden
       Frankreichs. Zu Beginn der Saison 2018/19 waren 25 Bundesligaspieler
       Franzosen. Die Liga wird zur Durchgangsliga – nicht nur für Franzosen, auch
       für Engländer. Die Besten von ihnen absolvieren hier nur ein Praktikum, um
       dann gereift in die Premier League oder Primera Division zu wechseln.
       
       ## Fehlentwicklungen in der hiesigen Ausbildung
       
       Für die Erneuerung des FC Bayern stehen fünf junge Spieler auf der Liste:
       drei Franzosen, ein Engländer und ein Kanadier. Der Rekordmeister kopiert
       damit gewissermaßen den BVB. Offensichtlich mangelt es an hochklassigen
       deutschen Talenten – zumindest für bestimmte Positionen. Und Eintracht
       Frankfurt? Schreibt in Mailand mit 14 Spielern Geschichte, von denen nur
       vier in Deutschland ausgebildet wurden. Darunter – natürlich – der Torwart.
       
       Möglicherweise ist dies eine Folge von Fehlentwicklungen in der hiesigen
       Ausbildung. Nach der WM 2014 schrieb der damalige DFB-Sportdirektor Hansi
       Flick: „Unser Eindruck war, dass viele Spieler das Gefühl hatten, dass das
       System ihre Fehler auffängt. Teil unserer Spielphilosophie muss sein, dass
       die Spieler Spaß daran haben, sich Mann gegen Mann zu messen. Sie müssen
       das Selbstbewusstsein entwickeln, Eins-gegen-eins-Situationen anzustreben.“
       
       Im Juni 2015 schob Flick nach: „Die Maxime ‚Abspiel geht vor Dribbling‘ ist
       in der Nachwuchsförderung nicht zwingend richtig.“ Überspitzt gesagt müsse
       man den Mut entwickeln, das Individuum über das Team zu stellen. Matthias
       Sammer warnte: „Wer zuerst an die Mannschaft denkt, blockiert sich. Dann
       wird das Anderssein nicht zugelassen, und das ist falsch.“ Bei der
       Ausbildung sollte das Konstruktive nicht nur deshalb im Vordergrund stehen,
       weil es romantischer (oder sagen wir: schöner) ist. Sondern vor allem, weil
       es schwieriger ist.
       
       16 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /FC-Liverpool-in-der-Premier-League/!5541732
 (DIR) [2] /Champions-League-Aus-des-FC-Bayern/!5578412
 (DIR) [3] http://www.spox.com/de/sport/fussball/dfbpokal/saison-2017-2018/runde-2/rb-leipzig-fc-bayern/rbl-fcb-kommentar-monaco-franze.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich Schulze-Marmeling
       
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