# taz.de -- Basisarbeit der Kunstgeschichte
       
       > Manchen Skulpturen geht es gut, andere sind mit Moos bewachsen. Ein
       > Potsdamer Verein arbeitet am Werkverzeichnis des Bildhauers Werner
       > Stötzer und bietet Hilfe bei der Erfassung von Nachlässen an
       
 (IMG) Bild: Werner Stötzer, Reliefwand „Alte Welt“ für das Marx-Engels-Forum in Berlin (ursprünglicher Standort), 1986, Marmor
       
       Von Inga Dreyer
       
       Wenn Menschen sterben, stellt sich die Frage nach ihrem Erbe – das ist auch
       bei Künstlerinnen und Künstlern so. Wohin mit den Skulpturen, Aquarellen,
       Zeichnungen? Was ist, wenn die Erbinnen und Erben keinen Platz oder keine
       Zeit haben? Wer kümmert sich um die Werke, wer stellt sie aus, wer verkauft
       sie? Ein erster Schritt zur Bewahrung ist, die Arbeiten zu dokumentieren.
       
       Dabei unterstützt der Verein Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg
       regionale Künstlerinnen und Künstler. Derzeit arbeitet er an einem
       Großprojekt: dem digitalen Werkverzeichnis der Skulpturen von Werner
       Stötzer (1931–2010). Der Bildhauer und Zeichner lebte im Oderbruch, wirkte
       aber über Berlin-Brandenburg hinaus. In seinen künstlerischen
       Aufbruchsjahren im Osten habe er begonnen, sich an der Doktrin des
       sozialistischen Realismus zu reiben, berichtet Werner Heegewaldt,
       Archivdirektor der Akademie der Künste, wo das Projekt des
       Werkverzeichnisses kürzlich vorgestellt wurde. Stötzer war seit 1978
       ordentliches Mitglied der Akademie der Künste in der DDR und in der
       turbulenten Zeit von 1990 bis 1992 deren Vizepräsident.
       
       Stötzer hatte es im Osten schwer, der Durchbruch kam erst 1977 mit einer
       Personalausstellung. Zu seinen Arbeiten gehört das 1986 fertiggestellte
       Marmorrelief „Alte Welt“ am Marx-Engels-Forum in Berlin. Seine letzte große
       Arbeit im öffentlichen Raum ist die 2003 entstandene Pietà für die Diözese
       Würzburg.
       
       „Anders als andere Kollegen hatte er recht früh Ausstellungen außerhalb des
       Landes“, erzählt Astrid Volpert. Die Kulturwissenschaftlerin verfasst das
       Werkverzeichnis gemeinsam mit der Kunsthistorikerin und Fotografin Inge
       Zimmermann und der Journalistin Barb Kirkamm. Dafür machen die drei Steine
       und Güsse ausfindig, beschreiben und klassifizieren sie. Sie kontaktieren
       Museen, Galerien und Privatsammler. Einige Sammler seien offen, andere
       möchten anonym bleiben, erzählt Astrid Volpert. „Das müssen wir
       akzeptieren.“
       
       ## Wärme und Wertschätzung
       
       Die drei verbringen viel Zeit mit E-Mails und am Telefon, machen sich aber
       teilweise auch vor Ort ein Bild. Manchen Skulpturen geht es gut, andere
       wurden mit Farbe besprüht oder sind mit Moos bewachsen. Eine Erfurter
       Skulptur ist seit Jahren verschollen. Fotos und Informationen speisen die
       Verfasserinnen in die Datenbank des Vereins ein. Wie in einer virtuellen
       Galerie können sich Besucherinnen und Besucher der Website
       (https://private-kuenstlernachlaesse-brandenburg.de/) später durch Stötzers
       Arbeiten klicken.
       
       Doch bis dahin ist noch viel zu tun. Da sich der Bildhauer vor allem für
       die Umsetzung seiner künstlerischen Visionen und nicht für deren
       Dokumentation interessierte, sei anfangs unklar gewesen, wie groß das Werk
       des Bildhauers sei, erklärt Astrid Volpert. Während der Recherchen wuchs
       die bekannte Zahl der Skulpturen auf 600. Dafür braucht es mehr Zeit und
       Geld, als der Verein eingeplant hat. Selbst bei einem überregional
       bekannten Künstler wie Stötzer sei es schwierig, Fördermittel für so ein
       Projekt zu bekommen, berichtet Liane Burkhardt vom Verein Private
       Künstlernachlässe.
       
       Nach zwei vergeblichen Anläufen konnten für 2018 schließlich 22.300 Euro
       akquiriert werden, bereitgestellt vom Brandenburger Kulturministerium, der
       Staatskanzlei, der Stiftung Kulturwerk VG Bild-Kunst und aus Eigenmitteln
       der Witwe und Nachlasshalterin Stötzers, der Bildhauerin und Zeichnerin
       Sylvia Hagen. Für 2019 versucht der Verein weitere Gelder aufzutreiben –
       zumindest für Fahrt- und Sachkosten.
       
       Denn die drei Verfasserinnen haben erklärt, ehrenamtlich weiterarbeiten zu
       wollen. Nicht nur das Werk, auch der Mensch dahinter begegnet ihnen bei der
       Spurensuche. Wenn sie am Telefon Stötzers Namen nenne, kämen am anderen
       Ende der Leitung Erinnerungen hoch, erzählt Astrid Volpert. „Da ist eine
       unheimliche Wärme und Wertschätzung zu spüren.“ Was der Künstler selbst von
       der Sisyphusarbeit gehalten hätte? „Er hätte sicherlich mit einem Lächeln
       gesagt: Macht nicht so einen Rummel um die Sache“, sagt Volpert und lacht
       selbst.
       
       Der Verein Private Künstlernachlässe will durchaus weiter Rummel um das
       kulturelle Erbe der Region machen. Kunsthistorikerin Liane Burkhardt und
       Kulturarbeiter Thomas Kumlehn unterstützen mit ihrem Pilotprojekt
       „Mobiler-Nachlass-Service“ Kunstschaffende und deren Nachlasshalter und
       -halterinnen dabei, selbst die Daten für Werkverzeichnisse zu erfassen.
       
       So können die Arbeiten zumindest in digitaler Form zugänglich gemacht
       werden. Damit Kunst jedoch nicht auf Dachböden und in muffigen Kellern
       verstaubt, setzt sich der Verein für ein Kernbestandsdepot ein, in dem die
       wichtigsten Werke bewahrt werden können.
       
       14 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Dreyer
       
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