# taz.de -- Mehr Wirtschaft an Schulen
       
       > Nun wird Wirtschaft auch in NRW Pflichtfach. Passend dazu startet
       > Finanztip ein eigenes Schulprojekt
       
       Von Maike Brülls
       
       Es gab da mal diesen Tweet. 2015 postete die Schülerin Naina: „Ich bin fast
       18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich
       kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Der Tweet löste eine
       Bildungsdebatte aus und wirkt bis heute nach. Das merkt man zum Beispiel im
       Gespräch mit Marcus Drost, Leiter für Unternehmenskommunikation vom
       Verbraucher*innen-Ratgeber Finanztip. Finanztip hat jüngst ein Schulprojekt
       gestartet. „Unser Ziel ist, dass die Schüler ihre Schullaufbahn beenden und
       es schaffen, vernünftige, gute finanzielle Entscheidungen zu treffen. Und
       auch zu verstehen, wie diese Welt da draußen funktioniert.“Die Idee ist
       also, jenes Wissen über Finanzen weiterzugeben, welches die Schülerin
       damals so vermisst hat.
       
       Finanztip ist eine gemeinnützige GmbH, die auf ihrer Homepage und per
       Newsletter Tipps für Finanzen gibt. Gemeinnützig bedeutet: Der Gewinn darf
       nicht einbehalten werden, sondern muss für den Gesellschaftszweck, also die
       Verbraucherbildung, eingesetzt werden. Laut eigenen Angaben finanziert sich
       Finanztipp über sogenannte Affiliate Links, also darüber, dass Nutzer*innen
       verlinkte Produkte kaufen und Finanztip eine Provision erhält.
       
       Das Geld fließe zum Beispiel in das neue Projekt „finanztip.schule“,
       erklärt Drost. Dieses Projekt führt Finanztip gemeinsam mit dem Institut
       zur Objektivierung von Lern- und Prüfungsverfahren, IZOP-Institut durch.
       Das Aachener Institut ist auf medienpädagogische Bildungsprojekte
       ausgerichtet. IZOP nutze die Inhalte von Finanztip, um ein eigenes
       medienpädagogisches Projekt an Schulen durchzuführen, erklärt Drost. „Dort
       lernen die Schüler den Umgang mit Medien – also was ist eine seriöse Quelle
       und wie kann ich die Texte benutzen – und auch etwas über die Welt der
       Verbraucherfinanzen.“
       
       ## Wirtschaft wird Pflichtfach
       
       170 Klassen haben sich für das Projekt angemeldet. Es befindet sich in der
       Pilotphase. IZOP macht dabei Vorschläge für Lektionen und schickt diese an
       die Lehrer*innen verschiedener Schularten und Jahrgänge. Diese können dann
       Feedback geben, aber auch eigene Vorschläge für kommende Einheiten
       einreichen. Bis Ende des Schuljahres 2018/2019 soll so ein kostenloser
       Reader erarbeitet und zur Verfügung gestellt werden.
       
       Dass Schulmaterialien im Internet kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
       ist nicht ungewöhnlich. 2013 zählten Augsburger Wissenschaftler rund 17.000
       Angebote von Unternehmen, vor allem aus der Metall- und Elektroindustrie.
       Problematisch daran ist: Anders als bei den Materialien offizieller
       Schulbuchverlage haben sie keine staatliche Zulassung, sind oft einseitig
       und nicht neutral. Allerdings sind sie aktueller als offizielle
       Schulmaterialien, weil sie nicht durch eine langwierige Prüfung gehen.
       
       Das Interesse an Materialien zum Thema Wirtschaft ist groß, denn die
       Nachfrage steigt. Auch weil das Fach Wirtschaft Teil der Lehrpläne wird. So
       führt etwa Nordrhein-Westfalen zum Schuljahr 2020/21 an allen
       weiterführenden allgemeinbildenden Schulen das entsprechende Pflichtfach
       ein, in Gymnasien wird Wirtschaft schon im nächsten Schuljahr Pflichtfach.
       Damit folgt NRW dem Beispiel Baden-Württembergs.
       
       Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW, kritisiert
       das. Die Einführung eines Schulfaches Wirtschaft gehe vollkommen an der
       Realität vorbei, heißt es in einer Pressemitteilung vom November
       vergangenen Jahres. Stattdessen brauche es mehr und bessere politische
       Bildung an nordrhein-westfälischen Schulen.„In Zeiten, in denen
       Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und rechtes Gedankengut wieder
       salonfähig werden, brauchen wir keinen Kniefall vor der Wirtschaft, sondern
       vor der Demokratie“, so Weber.
       
       Ob in den Materialien von Finanztip auch das kritisches Denken geübt werde?
       „Finanztip ist lösungsorientiert. Es ist aber auch der Anspruch, dass
       verstanden wird, wie die Interessenslagen von verschiedenen Anbietern
       sind“, sagt Drost. Es gehe also nicht nur darum, den Schüler*innen zu
       sagen, was sie machen sollen, sondern ihnen zu erklären, wie die Dinge
       funktionieren.
       
       Wenn die Reader fertiggestellt sind, wird sich zeigen, ob dieser Anspruch
       eingelöst wird – und was Kritiker*innen dazu sagen.
       
       13 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maike Brülls
       
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