# taz.de -- Gestern Gesprächspartner, heute wieder Feinde
       
       > Kolumbiens Präsident Duque erklärt die Friedensverhandlungen mit der
       > größten aktiven Guerillagruppe für beendet. Anlass ist ein
       > Bombenanschlag, bei dem ein Mitglied der Rebellengruppe ELN in einer
       > Polizeiakademie in Bogotá 21 Menschen getötet und 68 verletzt hat
       
 (IMG) Bild: Gedenken an die Toten: Ein Mann mit einer Rose am Ort des Attentats auf die Polizeiakademie in Bogotá
       
       Aus Bogotá Katharina Wojczenko und Berlin Ralf Pauli
       
       Es ist der schlimmste Anschlag in der kolumbianischen Hauptstadt seit 16
       Jahren. Und einer, der die Hoffnungen der Kolumbianer auf anhaltenden
       Frieden erschüttert. Donnerstagmorgen fuhr José Aldemar Rojas Rodríquez mit
       einem Kleinlaster mit 80 Kilogramm Sprengstoff zum Lieferanteneingang der
       Polizeiakademie General Santander in Bogotá und tötete 21 Menschen. 68
       Menschen wurden verletzt, darunter ein dreijähriges Mädchen. Der
       56-Jährige, der seit 25 Jahren als Sprengstoffexperte zur größten noch
       aktiven Guerillagruppe Kolumbiens, der ELN, gehört, wie die
       Staatsanwaltschaft am Freitag bekannt gab, wählte diesen Weg wohl, weil es
       am Haupteingang Sprengstoffhunde gibt.
       
       Als Polizisten Rojas aufhalten wollten, beschleunigte er den Kleinlaster
       und drang in das Gelände ein. Dort explodierte das Fahrzeug. Der Anschlag
       fand kurz nach einer Beförderungsfeier für Kadetten statt. Auf dem Gelände
       der Polizeiakademie, an der 900 Polizisten ausgebildet werden, wurden
       mehrere Gebäude beschädigt. Die Wucht der Detonation ließ Fensterscheiben
       in der Nachbarschaft zersplittern. Der Attentäter mit dem Kampfnamen „El
       Mocho“ (spanisch für Armstumpf) – Rojas hat früher eine Hand verloren – kam
       bei der Explosion um. Das Bombenattentat ist das schlimmste in der
       Hauptstadt seit 2003. Damals tötete die Farc-Guerilla mit einer Autobombe
       am Nachtclub Nogal 36 Menschen. Dieses Mal macht die Regierung die mit rund
       1.500 Kämpfern starke ELN für das Attentat verantwortlich.
       
       Die Identität des Täters stand bereits wenige Stunden nach dem Attentat
       fest. Am Freitagmorgen bestätigten Generalstaatsanwalt Néstor Humberto
       Martínez und Verteidigungsminister Guillermo Botero in einer
       Pressekonferenz die Vermutungen. Die ELN ist nach dem Friedensabkommen mit
       der Farc-Guerilla im November 2016 die größte verbliebene Rebellengruppe
       Kolumbiens. Auch mit ihr hat die Vorgängerregierung von Juan Manuel Santos
       einen Friedensprozess angestoßen. Seit gut zwei Jahren versuchen beide
       Seiten, zu einem ähnlichen Friedensvertrag zu kommen wie mit den Farc.
       
       Den „totalen Frieden“ hatte der damalige Präsident Santos den kriegsmüden
       Kolumbianern in Aussicht gestellt. Seit mehr als 50 Jahren befindet sich
       das Land im Bürgerkrieg. Für seinen Einsatz erhielt Santos den
       Friedensnobelpreis. Doch seitdem der Rechte Ivań Duque die
       Präsidentschaftswahl gewonnen hat, stocken die Friedensverhandlungen mit
       den Farc (siehe Text rechts), genauso wie die Verhandlungenmit der ELN, die
       Unterhändler zunächst in Quito und Ecuador und seit Mai 2018 auf Kuba
       führen.
       
       Der neue Präsident hatte unter anderem die Freilassung von ELN-Geiseln und
       das Einstellen von Anschlägen aus die Ölindustrie zur Vorbedingung für die
       Wiederaufnahme von Gesprächen gemacht. Derzeit hält die ELN nach Angaben
       der Regierung 17 Geiseln. Seit dem Amtsantritt Duques hat die Guerilla, die
       sich vor allem im Grenzgebiet zu Venezuela aufhält, 33 Anschläge auf
       Anlagen der Ölindustrie verübt und neun Menschen entführt. Immer wieder
       sterben bei ELN-Attentaten Menschen. Vor einem Jahr tötete die
       Rebellengruppe bei einem Attentat auf eine Polizeistation in Barranquilla
       sechs Polizisten. Im Februar 2017 hatte sie bei einer Attacke auf eine
       Polizeipatrouille in Bogotá einen Polizisten getötet und mehrere schwer
       verletzt.
       
       Der Bombenanschlag von Bogotá bedeutet nun das Aus für die
       Friedenshoffnungen. Präsident Duque brach die Friedensgespräche auf Havanna
       ab: „Es reicht, Herren der ELN“, sagte Duque nach dem Attentat. „Genug der
       Toten, der Entführungen und der Angriffe auf die Umwelt.“ Der Präsident
       ordnete drei Tage Staatstrauer an und versprach auf einer Pressekonferenz,
       nicht zu „ruhen, bis wir die Terroristen gefangen und zur Rechenschaft
       gezogen haben“.
       
       Zugleich setzte er zehn internationale Haftbefehle gegen ELN-Unterhändler
       wieder in Kraft, die sich in Kuba zu Verhandlungen mit der kolumbianischen
       Regierung aufhalten sollen. Das bringt Kuba in die Zwickmühle: Entweder es
       verweigert die Auslieferung – oder es verrät die Guerrilleros, die sich in
       ihrer Ideologie nahe an der Kubanischen Revolution orientieren.
       
       Von der Schuld der ELN-Führung – eines fünfköpfigen Zentralkomitees, das
       von Nicolás Rodríguez Bautista alias „Gabino“ angeführt wird – ist Duque
       überzeugt. Nicht nur weil der Attentäter Rojas, der selbst nicht
       vorbestraft war, Mitglied der Guerillagruppe war. Vor der Tat hatte er laut
       Staatsanwaltschaft telefonisch Kontakt mit einem weiteren ELN-Mitglied,
       das die Polizei am frühen Freitagmorgen festnahm. Der nun wegen Mord,
       Mordversuch und Terrorismus Angeklagte Ricardo Andrés Carvajal beteuert
       hingegen seine Unschuld.
       
       Auch wenn sich die ELN bisher nicht zu dem Anschlag geäußert hat, ist laut
       Staatsanwaltschaft klar: Der Attentäter Rojas soll die Tat über zehn Monate
       vorbereitet haben. Die staatliche Ombudsstelle Defensoría del Pueblo hatte
       Ende November vor Bombenattentatenan Orten nahe der Polizeiakademie
       gewarnt und explizit die ELN genannt
       
       Als weitere Reaktion auf den Anschlag ließ die Regierung die Kontrollen an
       den Landes- und Stadtgrenzen verstärken. Zudem appellierte Präsident Duque
       an die Kolumbianer, vereint zu bleiben und jegliche Form von Gewalt
       abzulehnen. „Das ist nicht nur ein Angriff auf unsere Jugend, die
       Streitkräfte und Polizei. Das ist ein Angriff auf die ganze Gesellschaft.“
       
       Die Farc-Partei gehörte zu den Ersten, die den Anschlag verurteilten. Die
       Partei der ehemaligen Guerillakämpfer nannte die Tat eine „Provokation,
       gerichtet gegen eine politische Lösung des Konflikts“. Die Tat rief in den
       Nachbarländern und auf der ganzen Welt große Bestürzung und Anteilnahme
       hervor. Die Vereinten Nationen, die die Umsetzung des Friedensabkommens
       überwachen, verurteilten den Anschlag als einen „inakzeptablen kriminellen
       Akt, der den Anstrengungen des Landes zuwiderläuft, sich von der Gewalt
       abzuwenden und mit der Bevölkerung eine erfolgreiche und friedliche
       Zukunft aufzubauen.“ Die US-Botschaft in Bogotá bot Hilfe bei den
       Ermittlungen an.
       
       In der Hauptstadt wurden zwei für Donnerstag geplante Demonstrationen
       abgesagt: Die Initiatoren der Antikorruptionsdemo gegen
       Generalstaatsanwalt Martínez riefen dazu auf, aus Solidarität eine Kerze
       anzuzünden. Die Studierendendemo, die sich unter anderem gegen Gewalttaten
       der Antiaufstandseinheit der Polizei bei den jüngsten Demonstrationen
       richtete, wurde verschoben. Ein Teil der Studierenden ging zum Blutspenden.
       In den Medien und den sozialen Netzwerken reagierten die Kolumbianer
       überwiegend mit großer Trauer. Am Sonntag kam es landesweit zu
       Demonstrationen gegen Terror und Gewalt.
       
       meinung + diskussion
       
       21 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Wojczenko
       
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