# taz.de -- Nigeria im Wahlkampf: In Zamfara steigt die Wut
       
       > Ein wenig beachteter Bundesstaat in Nordwestnigeria wird zum neuesten
       > Brennpunkt der Gewalt. Das ist kurz vor den Wahlen schlecht für die
       > Regierung.
       
 (IMG) Bild: Nigerias Präsident Buhari auf Wahlkampf – die Gewalt im Nordwesten kommt ihm ungelegen
       
       Tsafe/Gusau taz | Seit Mitte Dezember ist im Leben von Amina und Hadiza
       Dayyabu nichts mehr so, wie es einmal war. Die beiden Frauen, 57 und 80
       Jahre alt, haben ihren gemeinsamen Mann verloren. Zusammen mit 27 anderen
       Menschen wurde er von Banditen erschossen. „Sie kamen in unser Dorf Asaula,
       schossen, brannten das halbe Dorf nieder, das kleine Haus, in dem meine
       Tochter lebte. Auch das Essen, das wir einmal angebaut hatten, haben sie
       vernichtet“, erzählt Amina, die jüngere der beiden Ehefrauen. Ihre Stimme
       bebt vor Wut, Zorn und Hilflosigkeit. Die übrigen Frauen, die um sie herum
       stehen, schnalzen manchmal laut, um Entsetzen und Unverständnis über die
       Morde zum Ausdruck zu bringen.
       
       Untergekommen sind die Flüchtlinge in der Stadt Tsafe. Dicht gedrängt leben
       sie in einer Oberschule, die einst ein wohlhabender Gönner errichtet hat.
       Er lässt die Binnenflüchtlinge auch mit Essen versorgen.
       
       Im ganzen Bundesstaat Zamfara, der im Nordwesten Nigerias liegt und
       zwischen 3,2 und 4,5 Millionen Einwohner hat, sind mittlerweile 30.000
       Menschen auf der Flucht. Im vergangenen Jahr wurden mehrere Hundert
       getötet. Die Tageszeitung Daily Trust schrieb Ende Dezember, dass in
       weniger als sechs Wochen mindestens 82 Menschen umgebracht wurden.
       Verlässliche Zahlen gibt es nicht, nur immer wieder Schreckensmeldungen von
       Überfällen, Ermordungen und Entführungen.
       
       Ein landesweites Entsetzen löst das keine fünf Wochen vor der
       Präsidentschaftswahl in Nigeria jedoch nicht aus. In der Hauptstadt Abuja
       wird so gut wie nie über das ferne, kleine Zamfara gesprochen.
       
       ## Seit knapp 10 Jahren hat die Gewalt zugenommen
       
       „Wir waren einmal bekannt als sehr friedlicher Bundesstaat“, sagt in der
       Provinzhauptstadt Gusau Staatssekretär Abdullahi Shinkafi. Doch seit knapp
       zehn Jahren habe Gewalt immer mehr zugenommen. Anfangs waren es
       Auseinandersetzungen zwischen Farmern und Viehhirten, wie es sie bis heute
       vor allem in Zentralnigeria gibt. Aus den Protagonisten bildeten sich
       Banden, die Vieh im großen Stil gestohlen haben. Sie brennen nun Dörfer
       nieder, ermorden deren Bewohner oder entführen sie, um Lösegeld zu
       erpressen. Bei einem sind sich Augenzeugen und Experten recht sicher: Die
       Banditen haben Informanten in den Dörfern, die von den Überfällen
       profitieren.
       
       Was laut Shinkafi erschwerend hinzukommt, ist die Unmenge an Waffen, die
       nach dem Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes in Libyen im Jahr 2011 nach
       Nigeria wie auch die gesamte Sahelzone gespült wurden. Das in Togo basierte
       UN-Regionalzentrum für Frieden und Abrüstung in Afrika (Unrec) geht von 350
       Millionen aus, knapp zwei für jeden Einwohner der gesamten Region. Doch es
       gebe noch einen weiteren Grund für die ausufernde Gewalt in zahlreichen
       Ländern: viel zu wenig Personal der Sicherheitskräfte.
       
       Das ist ein Vorwurf, der in Nigeria mittlerweile überall zu hören ist. Wenn
       man über Land fährt – etwa in Richtung Norden zur nigrischen Grenze, –
       sieht man in den Dörfern kleine Polizeistationen mit ein bis zwei Autos,
       ein paar Polizisten und ansonsten weites Land, wo niemand nach dem Rechten
       sieht. Vermutlich reichen bewaffneten Angreifern wenige Minuten, um in den
       Wäldern zu verschwinden. Zamfaras Polizeikommissar Mohammed Ibrahim Zanna
       kann auf den knapp 40.000 Quadratkilometern seines Bundesstaates, etwas
       mehr als Baden-Württemberg, gerade mal 3.000 Polizisten einsetzen. Um etwas
       gegen Banden zu unternehmen, brauche es aber Strukturen und Strategien,
       nicht nur die ständige Kritik am Personalmangel, sagt er.
       
       Ende Dezember rief Zamfaras Gouverneur Abdulaziz Yari die Zentralregierung
       auf, den Notstand auszurufen. Wenig später sagte er vor Journalisten sogar,
       er würde auch zurücktreten, falls das Frieden und Sicherheit
       wiederherstellen würde. Was nach einer großen Geste klingt, ist eher
       Pragmatismus. Am 2. März wird ein neuer Gouverneur gewählt, und Yari, der
       Nigerias Regierungspartei APC (All Progressives Congress) von Präsident
       Muhammadu Buhari angehört, darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
       Wahlkampf macht der APC ohnehin nicht. Nach Einschätzung der Wahlkommission
       fanden die Vorwahlen zu spät statt, und der Fall liegt seitdem bei Gericht.
       
       ## Wählen? „Völlig sinnlos“, sagt Amina Dayyabu
       
       Das wirkt sich auch auf die Präsidentschaftswahl aus. In Gusau wirken die
       Büros von Buharis Unterstützergruppen verlassen. Herausforderer Atiku
       Abubakar ist wesentlich sichtbarer.
       
       In Tsafe schnaubt Amina Dayyabu auf die Frage, ob sie wählen würde,
       verächtlich. „Völlig sinnlos“, sagt sie, „ich habe überhaupt keinen
       Vorteil, wenn ich wählen gehe.“ An die Politiker – gleich, von welcher
       Partei – hat sie eine Forderung: „Sie müssen ihrer Verantwortung nachkommen
       und uns Menschen schützen.“ Gelingt das, dann wird sie auch zurück nach
       Asaula gehen. „Ich habe aber keine Ahnung, wann das so weit ist.“
       
       24 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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