# taz.de -- Vor der Handball-WM: Von der Bank zurück ins Rampenlicht
       
       > Steffen Fäth gehörte zur Europameistermannschaft von 2016. In seinem Klub
       > ist er Reservist. Bei der Heim-WM soll er eine wichtige Rolle spielen.
       
 (IMG) Bild: Steffen Fäth (l) bei einem Länderspiel gegen Polen
       
       Hamburg taz | Irgendwann kam auch noch Spott hinzu. „Heute hat er keinen
       Fehler gemacht“, sagte ein Zuschauer in der Hohenstaufen-Halle in Göppingen
       und lächelte. Der Gesichtsausdruck verriet die Häme, die sich hinter den
       Worten verbarg, denn der Mann mittleren Alters meinte Steffen Fäth und der
       hatte keine Sekunde auf dem Feld gestanden.
       
       Der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen befand sich im Dezember in einem
       Formtief und kam deshalb in Göppingen nicht zum Einsatz, kurz nach
       Weihnachten saß er auch bei dem Topspiel der Badener in Kiel 60 Minuten
       lang auf der Bank.
       
       Das ist schlecht für Fäths persönliche Ambitionen und könnte dramatisch für
       die der deutschen Nationalmannschaft werden. Bei der Weltmeisterschaft,
       [1][die am kommenden Donnerstag beginnt], soll Fäth eine wichtige Rolle
       spielen und die Tore aus dem Rückraum werfen, die in der Sportsprache
       „einfach“ genannt werden.
       
       Bundestrainer Christian Prokop betonte zuletzt wiederholt die wichtige
       Rolle, die der 28-Jährige in seinen Planungen spielt. Im ersten von zwei
       Testspielen vor dem Turnierauftakt soll sich Fäth am Freitag gegen
       Tschechien ([2][16.15 Uhr, ARD]) frisches Selbstvertrauen holen. In
       Hannover geht es nicht nur darum, sich einzuspielen, es geht um die
       Rückerlangung des eigenen Selbstverständnisses.
       
       Auf und ab ist es in den vergangenen Wochen mit Fäth gegangen – eine wahre
       Achterbahnfahrt war das, bei dem es einem schier schwindlig werden konnte.
       Nach dem 28. Oktober wurde die Fahrt so richtig rasant, als sich Julius
       Kühn das Kreuzband im Knie riss. Eigentlich war der Rückraum-Schütze der MT
       Melsungen in der Nationalmannschaft dafür vorgesehen, bei der WM im eigenen
       Land im linken Rückraum zum Helden zu werden. Fäth war höchstens eine
       Nebenrolle zugedacht. Wenn für einen die Tür zufällt, geht sie für einen
       anderen auf – so ist das im Leistungssport und deshalb ist Fäth plötzlich
       unheimlich wichtig.
       
       ## Totale Verunsicherung
       
       Fäth wirkte in den vergangenen Wochen verunsichert, agierte im Trikot der
       Löwen unglücklich und kam deshalb zuletzt kaum noch zum Einsatz. Gleichwohl
       stützt Prokop den wurfgewaltigen Fäth, denn er braucht ihn beim anstehenden
       Turnier. Nach dem 35:23-Sieg im Dezember-Testspiel gegen Polen, zu dem der
       28-Jährige vier Treffer beisteuerte, lobte ihn der Bundestrainer
       ausdrücklich. „Mit Steffen haben wir eine Waffe im Rückraum, ihn möchte ich
       herausheben“, sagte Prokop.
       
       Im Verein steht der Rückraumspieler hinten an, im Nationalteam soll er
       glänzen. Das erinnert an die Situation vor der Heim-WM 2007, als Torhüter
       Henning Fritz in seinem Klub THW Kiel nicht mehr spielte, aber im
       Nationaltrikot während des Turniers immer stärker und letztlich ein
       entscheidender Faktor auf dem Weg zum Titel wurde. Auf einen ähnlichen
       Effekt hofft der Bundestrainer, der Fäth demonstrativ den Rücken stärkt.
       
       Wenn die deutschen Handballer bei der WM erfolgreich sein wollen, brauchen
       sie Fäth in einer Form, die der vor drei Jahren gleicht. Auf dem Weg zum
       überraschenden EM-Sieg der DHB-Auswahl entwickelte sich der Rückraumspieler
       zu einem Leistungsträger. Bis zum Januar 2016 galt Fäth als Handballer mit
       viel Talent, der in seinem Wurfarm viel Power hatte. Während des Turniers
       in Polen offenbarte er darüber hinaus spielerische Qualitäten, die ihm in
       dieser Form nicht zugetraut worden waren. Deshalb kam er nicht nur im
       linken Rückraum, sondern auch auf der Spielmacher-Position zum Einsatz.
       
       ## Viel von Ivano Balić gelernt
       
       Unbemerkt hatte sich Fäth bei seinem Heimatverein HSG Wetzlar
       weiterentwickelt, weil er klug genug war, von Ivano Balićzu lernen. Der
       Mann, den sie den „Mozart des Handballs“ nannten, der als Spielmacher sein
       Heimatland Kroatien 2003 zum WM-Titel und 2004 zum Olympiasieg geführt
       hatte, war zu seinem Karriereausklang in die Handball-Provinz nach
       Mittelhessen gekommen, hat das Potenzial in Fäth entdeckt und sein Wissen
       an den jungen Deutschen weitergegeben. „Ich habe viel von Ivano gelernt“,
       sagte Fäth heute. Ein Mann des großen Wortes war er noch nie.
       
       Noch heute haben das Handball-Genie im Ruhestand und sein ehemaliger
       Schüler Kontakt. Balićverfolgt den Werdegang von Fäth – und sah vor einem
       Jahr, wie der bei der Europameisterschaft in Kroatien eine enttäuschende
       Leistung zeigte. Er litt unter den atmosphärischen Störungen zwischen der
       Mannschaft und Prokop bei dessen erstem großen Turnier. Der Trainer
       vermittelte Fäth kein Vertrauen und der Rückraumspieler reagierte mit
       schwachen Auftritten.
       
       Bei der WM im eigenen Land soll das ganz anders sein. Der Bundestrainer
       jedenfalls setzt auf ihn und tut das auch öffentlich kund. In der
       Achterbahn soll es für Fäth zumindest in der Nationalmannschaft wieder nach
       oben gehen.
       
       4 Jan 2019
       
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