# taz.de -- Der industriell-politische Komplex
       
       > Thilo Bodes Buch „Diktatur der Konzerne“ belegt mit Zahlen und Fakten auf
       > beeindruckende Weise, wie Megakonzerne die Demokratie und Umwelt
       > zerstören
       
       Von Olaf Georg Klein
       
       Um es vorwegzunehmen: Dieses Buch müsste in jeder Schule gelesen, jedem
       Bundestagsabgeordneten nach seiner Wahl überreicht und über die
       Bundeszentrale für politische Bildung kostenlos zur Verfügung gestellt
       werden. Denn nachvollziehbar und höchst eindrücklich beschreibt Thilo Bode
       in seiner „Diktatur der Konzerne“, wie in den vergangenen Jahrzehnten die
       Marktwirtschaft schleichend zu einer Machtwirtschaft geworden ist, wie die
       Konzerne ein solches Druck- und Drohpotenzial aufgebaut haben, dass eine
       wirksame Politik für den Klima-, Umwelt und Verbraucherschutz gegen die
       Interessen einzelner Konzerne kaum noch möglich ist.
       
       Faktenreich kommt das Buch daher. Mit zahlreichen deutschen und
       internationalen Beispielen belegt Bode etwa den „Drehtürenmechanismus“: wie
       Menschen in verantwortungsvollen Positionen heute schnell und
       uneingeschränkt zwischen wirtschaftlicher Macht und politischer Macht hin
       und her wechseln, wodurch aus Volksvertretern Lobbyisten und aus Lobbyisten
       Volksvertreter werden. Ein „industriell-politischer Komplex“ sei so
       entstanden, der die Demokratie aushöhlt, lautet seine vernichtende
       Diagnose.
       
       Bode hat Soziologie und Volkswirtschaft studiert, war Geschäftsführer von
       Greenpeace Deutschland und ist Gründer und Leiter der
       Verbraucherrechtsorganisation Foodwatch. Zuletzt erschien von ihm „TTIP –
       Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt und uns allen
       schadet“.
       
       Sein neues Buch kritisiert die Übermacht der Wirtschaftsinteressen noch
       grundlegender. Bode zeigt, wie Konzerne mit ihrer Systemrelevanz
       Regierungen erpressen, etwa in der Bankenkrise, wie sie sich Heerscharen
       von Lobbyisten leisten, um die Gesetzgebung zu beeinflussen, etwa zugunsten
       der Autoindustrie. Dass das geltende Kartellrecht zu kurz greift, weil die
       politische Macht der Konzerne außerhalb des ökonomischen Prüfauftrags der
       Kartellämter liege. Wie Konzerne über private Schiedsgerichte Regierungen
       erpressen oder verklagen und ihre Macht ausnutzen, um Wettbewerb
       auszuschalten. Und wie die Wissenschaft gekauft und subtil zugunsten der
       Konzerne beeinflusst wird, während unabhängige Ergebnisse schnell mal als
       „Drecksforschung“ diffamiert werden – mit dieser Vokabel hatte der frühere
       Vorstandschef von Monsanto kritische Arbeiten von Wissenschaftlern zum
       Pestizid Glyphosat verunglimpft.
       
       Mit konkreten Zahlen belegt Bode, wie Naturzerstörung, Klimaerwärmung und
       Diabetesepidemien die Profite steigern, während die Kosten für diese
       gefährlichen Fehlentwicklungen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Und
       nicht zuletzt, wie Internetgiganten den demokratischen
       Willensbildungsprozess stören und zerstören.
       
       Alles schon bekannt, alles schon gehört? – Hier findet man auf
       beeindruckende Art und Weise Zahlen und Daten, Namen und Fakten, bekommt
       die verheerenden Auswirkungen auf die Demokratie und die gewaltigen
       Schäden, die diese Megakonzerne anrichten, drastisch vor Augen geführt. Und
       was folgt nun aus all dem?
       
       „Wann immer Konzerne am Pranger stehen, in der Finanzkrise, bei
       Lebensmittelskandalen, in der Autoindustrie, bei Facebook, regen sich
       Menschen auf und fragen, warum die Konzerne straffrei davonkommen, warum
       ihre Manager noch nicht im Gefängnis sitzen“, schreibt Thilo Bode und
       urteilt: „Die Fragen sind berechtigt, weil die Menschen das Gebaren der
       Konzerne und ihrer höchsten Manager an Verbrecher erinnert, ja an
       organisierte Kriminalität.“
       
       Folgerichtig formuliert der Autor Forderungen an alle gesellschaftlichen
       Kräfte: Straftaten von Konzernen müssten als Straftaten im Sinne eines
       Unternehmensstrafrechts und nicht als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden.
       Das Prinzip der Sammelklagen müsste häufiger genutzt, die Justiz gestärkt
       werden – weil sie als einzige noch Widerstand leistet gegen die
       demokratiezerstörende Allianz zwischen Wirtschaft und Politik, wie beim
       Dieselskandal zuletzt zu sehen war. Schädliche, aber bisher legale
       Geschäftsmodelle müssten illegal gemacht werden. „Es sind auch keine
       utopischen Forderungen, Konzerne aufgrund von Verletzungen des Völkerrechts
       verklagen zu können, Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden gegen
       Behörden anzustrengen, wenn diese die Konzerne bei Gesetzesverletzungen
       nicht in die Pflicht nehmen.“
       
       Alles in allem ist Bodes „Diktatur der Konzerne“ ein Buch, das erschüttert
       und wütend macht, aber auch die Hoffnung nährt, dass immer mehr Menschen
       zur Kenntnis nehmen, was da geschieht, den Mund aufmachen und die
       Regierungen unter Druck setzen, damit den Konzernen nicht weiter kampflos
       das Feld überlassen wird. Eine Pflichtlektüre für jeden, dem die Demokratie
       am Herzen liegt.
       
       Thilo Bode: „Diktatur der Konzerne. Wie globale Unternehmen uns schaden und
       die Demokratie zerstören“. S. Fischer, Frankfurt am Main 2018, 240 Seiten,
       18 Euro
       
       14 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Olaf Georg Klein
       
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