# taz.de -- Zugunglück in der Türkei: „Es gab kein Signalsystem“
       
       > Nach dem tödlichen Zugunglück bei Ankara kritisiert Ingenieur Yunus Yener
       > die staatlich vorgegebene Eile bei Prestigeprojekten.
       
 (IMG) Bild: Bei dem Unfall kamen neun Menschen ums Leben, mehr als 80 wurden verletzt
       
       Am Donnerstagmorgen gegen halb sieben Uhr stieß ein Hochgeschwindigkeitszug
       auf dem Weg von Ankara nach Konya im Bahnhof Marşandiz im Kreis
       Yenimahalle/Ankara mit einer Lokomotive zusammen, die auf demselben Gleis
       stand. Bei dem schweren Zugunglück kamen nach ersten Angaben neun Menschen
       ums Leben, darunter der Lokführer. Rettungsteams suchen weiter nach
       Überlebenden, die Staatsanwaltschaft Ankara ermittelt. Vor sechs Monaten
       waren bei einem Zugunglück in Çorlu in der Westtürkei 25 Personen
       umgekommen. 
       
       Wir sprachen mit dem Vorsitzenden des Berufsverbandes der
       Maschinenbau-Ingenieure, Yunus Yener, über den Unfall.
       
       taz.gazete: Herr Yener, am Donnerstagmorgen stieß ein
       Hochgeschwindigkeitszug bei Ankara mit einer Lokomotive zusammen. 9
       Menschen starben, mehr als 80 wurden verletzt. Wie konnte es zu diesem
       Unfall kommen? 
       
       Yunus Yener: Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Wenn wir
       uns ansehen, wie es zu dem Unfall kam, müssen wir von einem
       Kommunikationsproblem ausgehen. Auf dieser Strecke ist das Signalsystem
       noch im Aufbau. Der Zugbetrieb läuft auf diesem Abschnitt per Funkgerät.
       Wir denken, dass es ein Problem in der Kommunikation gab und dies zu dem
       Unglück führte.
       
       Im Bericht der Sitzung vom 6. Dezember der staatlichen Kontrollkommission
       steht folgende Aussage von Generaldirektor Apaydın: „Dank des
       Verkehrsbetriebssystems werden die Zugbewegungen live verfolgt.“ 
       
       Das System, von dem der Generaldirektor spricht, existiert hier nicht. Das
       heißt, es gibt kein automatisches Signalsystem. Hier kommuniziert man per
       Funkgerät, es handelt sich offensichtlich um menschliches Versagen.
       
       Das ist bereits das zweite Zugunglück mit Todesfolge innerhalb von sechs
       Monaten. Im Juli starben 25 Menschen bei einem Unfall in der Westtürkei.
       Steckt dahinter ein strukturelles Problem? 
       
       Man muss jeden Fall für sich betrachten, allgemein besteht aber das
       Problem, dass Ingenieursarbeiten und technischer Betrieb nicht korrekt
       genug ausgeführt werden. Man hält nicht einmal die einfachsten
       Risikoanalysen für nötig. Dazu kommen Privatisierungen des
       Schienennetzverkehrs. Außerdem gibt es nur wenige Ingenieure mit
       hinreichender Erfahrung und ausreichendem Wissen im technischen Bereich,
       das Personal wird heruntergefahren, Wartungsarbeiten werden ausgelagert,
       nötige Sicherheitskontrollen werden unterlassen, Arbeitsbedingungen sind
       unsicher.
       
       Hätte dieser Unfall verhindert werden können? 
       
       Wenn es auf dieser Strecke ein Signalsystem gegeben hätte, wäre dieser
       Unfall nicht passiert.
       
       Die amtierende Regierung rühmt sich, Infrastrukturprojekte wie dieses im
       Eiltempo fertigzustellen. Das wird der Bevölkerung als Triumph verkauft.
       Wie hängt diese Politik mit den Unfällen zusammen? 
       
       Alles, was ich oben angeführt habe, hat damit zu tun, dass die Arbeiten in
       höchster Eile abgeschlossen werden. Mehr will ich dazu nicht sagen.
       
       Welche Konsequenzen zieht die Regierung aus diesen Unfällen? 
       
       İsa Apaydın, der Generaldirektor der staatlichen Eisenbahnen, ist nach wie
       vor im Amt. Damit dürfte die Frage beantwortet sein. Er hatte diese
       Position auch schon im Juli inne, als das Zugunglück in Çorlu geschah.
       
       Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe
       
       14 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Çınar Özer
       
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