# taz.de -- Die Wahrheit: Boris Palmer, der OB-Rentner
       
       > Dieser auffällig gewordene Verwaltungsmann ist nicht schwäbischer
       > Punkrock. Er ist ein an der Uni Tübingen entwickelter
       > Polit-Rentner-Hybrid.
       
 (IMG) Bild: Mit dem Vollbart würde er zu den Hipstern in Neukölln passen, mit seinen Sprüchen nicht: Boris Palmer
       
       Da reißt man sich seit Jahren zusammen, praktiziert Impulskontrolle – und
       schafft es gerade mal so, nicht ständig Leute auf der Straße anzuschreien,
       weil sie sich plötzlich, ohne Vorwarnung direkt vor einem bücken, um sich
       die Schnürsenkel zuzubinden. Oder weil sie im vollgestopften ICE leere
       Sitzplätze mit einer Bauchtasche und einer zwei Drittel aufgegessenen
       Banane blockieren …
       
       Und dann kommt Boris Palmer! Und man denkt: So geht’s auch. Einfach
       unkontrolliert die Sau raus lassen. Man möchte glatt neidisch werden über
       soviel enthemmte Triebabfuhr.
       
       Ich bin mir sicher, wenn Palmer will, marschiert er, nur mit seinem
       OB-Dienstausweis bekleidet, in die Tübinger Fußgängerzone und führt
       Prostata-Reihenuntersuchungen durch. Einfach so. Aus Trotz. Und weil ihn
       angeblich ein Unterparagraf des Württembergischen Hygienegesetzes von 1823
       dazu berechtige.
       
       Ich kenne Menschen, die behaupteten deswegen, der Mann sei schwäbischer
       Punkrock. Ich habe eine andere Theorie. Ich glaube, Palmer ist ein in den
       Labors der Universität Tübingen entwickelter Polit-Rentner-Hybrid:
       Äußerlich ein OB in den besten Jahren, mental aber jenseits der 73, der
       maximalen Altersgrenze für Oberbürgermeister.
       
       Man denke nur an seine legendäre Pensionisten-Performance von 2014, als er
       im Landgasthof „Nägelehaus“ herumkrakeelte, er wolle seine Apfelschorle(!)
       gefälligst draußen trinken, auch wenn der Außenbereich gerade geschlossen
       werde. Als man Palmer daraufhin bat zu gehen, pampte es aus ihm heraus, man
       wisse wohl nicht, wer er sei und überhaupt, wenn im Tübinger Rathaus so
       gearbeitet würde wie im „Nägelehaus“, dann stünden die Bürger bald mit
       Mistgabeln vor der Tür. Wenig später postete er den Vorfall auf Facebook.
       
       So wie vor zwei Jahren ein Foto von dunkelhaarigen Männern. Dazu raunte er
       gaulandesk: „Fünf junge Männer. Offensiver Auftritt. Kontrolle im Zug:
       Keiner hat einen Fahrschein. Zugfahrten haben sich verändert in den letzten
       Jahren. Ist es rassistisch, das zu beschreiben? Ist es fremdenfeindlich,
       sich dabei unwohl zu fühlen?“ Früher schrieben akademische Rentner hin und
       wieder einen nörgelnden Leserbrief an die Lokalzeitung, heute posten sie
       ununterbrochen, als seien sie angetrunkene russische Internet-Trolle. Egal,
       welcher Anlass. Hauptsache, man hat eine Meinung.
       
       Als Palmer im Frühjahr einen rüpelhaften schwarzen Radfahrer beobachtete,
       vermutete er auf Facebook sofort einen Asylbewerber: „So benimmt sich
       niemand, der hier aufgewachsen ist mit schwarzer Hautfarbe.“
       
       Nun also nächtliche Ausweiskontrollen, Brüllereien, Verfolgungsjagden durch
       die Stadt und Handy-Beweisfotos. Nur weil ein Student im Vorbeigehen sagt:
       „Ach nee, der auch noch.“ Das lässt Palmer sich nicht gefallen. Dafür hat
       er Deutschland nicht aufgebaut und achtzig Jahre in die Pensionskasse
       eingezahlt. Er stellt den Delinquenten mit dem klassischen Rentnersatz: „So
       geht’s nicht!“
       
       28 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut El Kurdi
       
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       Danke, Boris!
       
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