# taz.de -- Kolumne Helden der Bewegung: Saubermann im Mittelfeld
       
       > „Zwei Drittel der Erde sind von Wasser abgedeckt, den Rest macht Kanté“,
       > sagt man über den französischen Fußballer N’Golo Kanté. Stimmt.
       
 (IMG) Bild: Ein Überflieger, trotzdem auf der Erde geblieben: N'Golo Kante im Einsatz
       
       Es lief lange Zeit zu gut beim Deutschen Fußball-Bund, da hat man sich halt
       jahrelang nicht interessieren müssen für die Welt jenseits des Spiegels.
       [1][Jetzt ist der Jammer groß], keiner interessiert sich mehr für die fast
       geglückten Übersteiger eines Timo Werner.
       
       Selbst das Gelsenkirchener Publikum hat sich überhaupt nicht erwärmen
       können, [2][trotz eines 2-Tore-Vorsprungs gegen die Niederlande], trotz
       eines „über weite Phasen couragierten und engagierten Auftritts“, wie all
       jene Fußballjournalisten sich ausdrücken, die daran arbeiten, dass
       spätestens zur WM 2020 Bots ihre Texteraufgaben übernehmen können, weil sie
       weiß Gott keinen Bock auf Katar haben. Selbst das Gelsenkirchener Publikum,
       dessen Stammverein aktuell einen derart grausigen Fußball spielt, als hätte
       Martin Walser das Textbuch dazu geschrieben.
       
       Aber selbst dieses Publikum will sich einfach nicht erwärmen. Was Bierhoff
       so plant mit seinem Fan-Club Nationalmannschaft, ist allen scheißegal. Da
       kann er sich noch Stunden hinsetzen und diverse Stadienpläne mit lauter
       kleinen Grinse-Smileys vollmalen, bis es nach ausverkauft aussieht; davon
       kommen die Leute auch nicht.
       
       Und: keine famose Einzelleistung rettet das Game. Es ist möglich, eine
       Sitcom selbst ohne Handlung noch staffellang nur durch die Eigenarten der
       Figuren weiterleben zu lassen, aber dazu müssen die Protagonisten auch
       stark genug sein, die Handlungslosigkeit zu überspielen. Das ist aktuell
       nicht der Fall: Die selbstgewisse Drolligkeit eines Thomas Müller
       funktioniert nur in warmem Wasser, Toni Kroos’ Süffisanz wirkt jetzt, wo es
       nicht läuft, wie ein Mantel ohne Kleiderständer.
       
       Einzig Mats Hummels mit seiner c’est la vie-Lässigkeit, die mich immer
       denken lässt, er habe in der rechten Hand ein Whiskeyglas, transportiert
       das Gefühl einer ausmöblierten Figur, einer erzählerischen Einheit:
       allerdings einer, die sich mit der Siegesgewissheit und dem
       Mentalitätsmonstertum der Mannschaft nicht vereinen lässt. Nebenfiguren,
       die sich aufdrängen, gibt es nicht.
       
       ## Eine geerdete Persönlichkeit
       
       Im krassen Gegensatz dazu steht die Équipe Tricolore, die zwar den
       Gruppensieg in der Nations League verpasst hat, aber davon hat in der
       letzten Zeit kaum einer gesprochen. Stattdessen fiel immer wieder ein Name,
       der den Nebenerzählungsstrang „Volksnähe“ in einer Intensität performt,
       dass sich Alexander Dobrindt überlegt, ein Coaching anzufragen: [3][N’Golo
       Kanté].
       
       Zuerst einmal: Die Hintergrundstory stimmt. Es ist eine oft erzählte, aber
       falsche Geschichte, Frankreich hätte den WM-Titel wegen seiner grandiosen
       Jugendarbeit gewonnen. Drei prägende Figuren hatte das System wieder
       ausgespien, Antoine Griezman wurde in Spanien ausgebildet, Kylian Mbappé
       versauerte in Monaco auf der Bank, und N’Golo Kanté gab sein Profidebüt mit
       23. Leicester City holte ihn in die Premier League, mit ihm als zentralen
       Spieler gewannen sie sagenhafterweise die Meisterschaft. „Zwei Drittel der
       Erde sind von Wasser abgedeckt, den Rest macht Kanté“, sagt man. Ein Witz,
       den es über ein paar Spieler gibt, aber bei N’Golo Kanté stimmt er.
       
       Ein Überflieger, trotzdem auf der Erde geblieben. Eine geerdete
       Persönlichkeit. Als er im September seinen Zug nach Paris verpasste, ging
       N’Golo Kanté in eine anbei liegende Moschee und ließ sich hinterher von ein
       paar Fans nach Hause einladen, um Fußball zu gucken. Gut, ganz nett. Machen
       nicht viele, aber kann man machen.
       
       Und dann kamen die Football-Leaks-Berichte, und N’Golo Kanté schaffte
       etwas, das außer ihm keiner hinbekommen hat: Er sah dabei gut aus.
       Tatsächlich wollten ihn Berater und sein neuer Club, der FC Chelsea, dazu
       überreden, einen Teil seiner Einkünfte vor der Steuer zu verstecken. Kanté
       dachte nach, er dachte nach, er dachte recht lange nach, und sagte dann:
       Danke, nein. Er wolle alles sauber haben. Wie im Mittelfeld halt auch.
       
       25 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kommentar-Deutsche-Elf-in-Russland/!5516750
 (DIR) [2] /Kolumne-Pressschlag/!5548484
 (DIR) [3] /Frankreich-vor-dem-WM-Finale/!5517631
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederic Valin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Équipe tricolore
 (DIR) Profi-Fußball
 (DIR) Fußball
 (DIR) Finale WM 2018
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Liveticker Frankreich – Kroatien: Ein Satz mit -ić, das war wohl nić
       
       Frankreich gewinnt das hochklassige Finale souverän mit 4:2, inklusive
       Eigentor, Elfmeter und Flitzern. Aber Kroatien hält bis zum Schluss
       dagegen. Unser Liveticker.
       
 (DIR) Frankreich vor dem WM-Finale: Jetzt schon Weltmeister
       
       Mittelfeldspieler N’Golo Kanté ist der Größte. Als Markenzeichen des
       Franzosen gilt ein ausgezeichnetes Stellungsspiel.