# taz.de -- heute in bremen: „Auch die Männer sind überarbeitet“
       
       Interview Lea Schweckendiek
       
       taz: Frau Senghaas-Knobloch, wachstumskritische Arbeitszeitpolitik ist ein
       sperriges Wort. Was steckt dahinter? 
       
       Eva Senghaas-Knobloch: Ich will das gern am Beispiel der Sorgetätigkeiten
       veranschaulichen. Der Bereich beruflicher Pflege ist, wie mittlerweile die
       meisten sozialen Aufgaben, längst nach wirtschaftlichen Kriterien
       ausgerichtet. Es geht um Leistung – weil sich auch hier Firmen ansiedeln,
       die auf Gewinne und Wirtschaftlichkeit aus sind. Aus wachstumskritischer
       Perspektive wollen wir Leben und Zeit aber nicht verwirtschaftlichen. Allen
       soll genug Zeit für ein gutes Leben zur Verfügung stehen.
       
       Also geht es um die Gestaltung von Arbeitszeit? 
       
       Sowohl das als auch darum, wie viel Zeit die Erwerbsarbeit im Leben
       einnimmt. Es muss auch Zeit für Tätigkeiten neben dem Beruf geben, zum
       Beispiel für unbezahlte Sorgearbeit.
       
       Welche Kriterien müssten in der Pflege statt der Wirtschaftlichkeit
       angewandt werden? 
       
       Es geht um die Bedürfnisse der Personen, die gepflegt werden, aber auch um
       das Wohlbefinden der Pflegenden. Diese Faktoren sollten eigentlich zentral
       für solche Berufe sein, die von sozialen Beziehungen zwischen den Menschen
       geprägt sind und ein gutes Zusammenleben bedingen.
       
       Aus feministischer Sicht ist Sorgearbeit kritisch, weil sie zu oft
       unbezahlt von Frauen übernommen wird. 
       
       Pflege lag und liegt seit Jahrhunderten in den Händen von Frauen – die sich
       rund um die Uhr um unmittelbar lebensnotwendige Tätigkeiten kümmern. Die
       Arbeitszeitregelungen auch der beruflichen Pflegearbeit entsprachen bis in
       die 60er nicht dem modernen Berufsleben. Erst der Mangel an Pflegekräften
       erzwang ein Umdenken.
       
       Wenn weniger Arbeit Zeit für Ehrenämter schaffen soll, profitieren doch
       wieder nur Männer? 
       
       Das hängt davon ab, wie man ehrenamtliche Tätigkeiten definiert. Auch
       Pflege und Sorgearbeit sollten in diesen Bereich fallen, schließlich soll
       eine Verkürzung der Arbeitszeit auch dazu führen, dass alle Menschen Zeit
       haben, Angehörige. Freunde oder Nachbarn zu umsorgen, wenn es gewünscht
       ist. Auch die Männer, die heute Sorgearbeit leisten, sind völlig
       überarbeitet, weil auch ihnen die Pflege Angehöriger nicht als Arbeit
       anerkannt wird.
       
       14 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lea Schweckendiek
       
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