# taz.de -- Blasphemie-Referendum in Irland: Spott über Gott kommt flott
       
       > Per Volksentscheid soll Gotteslästerung künftig erlaubt werden. Selbst
       > die Kirche leistet kaum Widerstand. Die letzte erfolgreiche Klage war
       > 1703.
       
 (IMG) Bild: Irland will Gotteslästerung legalisieren – die Kirche verzichtet auf Protest
       
       Dublin taz | Endlich ist es soweit. Die Irinnen und Iren entscheiden am
       Freitag per Referendum, ob sie den Blasphemie-Paragrafen aus ihrer
       Verfassung streichen wollen. Das Thema ist brisant: Verhütungsmittel,
       Homosexualität, Scheidung, gleichgeschlechtliche Ehe, Abtreibung – das
       alles ist [1][gegen den Willen der katholischen Kirche legalisiert] worden.
       
       Dieses Mal versucht der Klerus gar nicht erst, die Abschaffung des
       Blasphemie-Paragrafen zu verhindern. Die Bischofskonferenz hat sogar Anfang
       des Monats eingeräumt, dass der Paragraf „mehr oder weniger obsolet“ und
       die Beibehaltung problematisch sei „in Anbetracht von Gewalt und
       Unterdrückung in anderen Teilen der Welt aufgrund solcher Gesetze“.
       
       In der irischen Verfassung von 1937 sind drei Voraussetzungen für eine
       strafrechtliche Verfolgung von Blasphemie festgelegt: Erstens müssen die
       Gefühle von Gläubigen stark verletzt sein, zweitens muss der öffentliche
       Frieden gestört sein, und drittens muss nachgewiesen werden, dass das
       Ärgernis bewusst provoziert wurde.
       
       Verurteilt wurde bisher niemand. 1995 monierte ein Leser einen Artikel im
       Musikmagazin Hot Press, einen Cartoon in der Irish Times sowie einen
       Artikel im Irish Independent. Alle drei hätten bei ihm „Empörung
       hervorgerufen“. Der Mann zog bis vor das höchste irische Gericht, wo seine
       Klage endgültig abgewiesen wurde.
       
       ## Eine „tote Klausel“
       
       Der britische Schauspieler Stephen Fry kam ebenfalls ungeschoren davon. Er
       hatte in einer Talkshow erklärt, dass ein „Gott, der diese Welt erschaffen
       hat, eindeutig ein Wahnsinniger“ sein müsse. Das war 2015. Zwei Jahre
       später fühlte sich ein Zuschauer beleidigt und zeigte Fry an. Die Polizei
       konnte jedoch nicht genügend Menschen finden, die ebenso empört waren, und
       stellte den Fall schließlich ein.
       
       Die einzige erfolgreiche Klage wegen Blasphemie in Irland stammt aus einer
       Zeit, als es noch gar keine irische Verfassung gab. Der Unitarier-Pfarrer
       Thomas Emlyn musste ein Jahr ins Gefängnis und 1.000 Pfund Strafe zahlen,
       weil er die „Göttlichkeit von Christus“ bestritt. Das war 1703.
       
       Ein parlamentarischer Ausschuss stellte 2008 fest, dass der
       Blasphemie-Paragraf „eine tote Klausel“ sei und abgeschafft gehörte. Die
       Verfassung kann jedoch nur durch ein Referendum geändert werden, aber weil
       Irland aufgrund der Finanzkrise pleite war, konnte sich das Land keinen
       Volksentscheid leisten. So entschied der damalige Justizminister Dermot
       Ahern, dass es für Blasphemie keine Gefängnisstrafe geben und niemand
       Privatklage erheben dürfe.
       
       ## Das Ergebnis scheint Formsache
       
       Weil der Paragraf aber nun mal in der Verfassung stand, legte er [2][eine
       Strafe von 25.000 Euro] für die „Veröffentlichung oder Äußerung
       blasphemischer Inhalte“ fest. Im Ausland gab es einen Aufschrei wegen
       dieses „mittelalterlichen Gesetzes“. Man hatte nicht verstanden, dass auch
       das eine „irische Lösung“ war, denn das Gesetz hatte in der Praxis
       keinerlei Auswirkungen.
       
       Und weil die Bevölkerung schon mal wählen geht, finden am Freitag zudem
       Präsidentschaftswahlen statt. Das Ergebnis scheint Formsache. Der
       amtierende Präsident, der liberale Dichter und Politiker Michael D.
       Higgins, liegt laut Umfragen mit knapp 70 Prozent der Stimmen uneinholbar
       vor den fünf GegenkandidatInnen.
       
       Was die Verfassung betrifft, so gibt es auch nach Abschaffung der
       Blasphemie-Klausel noch deutlichen Handlungsbedarf. So haben beispielsweise
       Frauenorganisationen einen Paragrafen ins Visier genommen, der die
       häuslichen Pflichten von Frauen festlegt. Er bestimmt tatsächlich, dass
       Frauen am Tag ihrer Hochzeit ihren Job im öffentlichen Dienst verlieren,
       damit sie ihre Rolle als Hausfrauen nicht vernachlässigen.
       
       25 Oct 2018
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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