# taz.de -- Die Wahrheit: Truthahn in der Tonne
       
       > Mülltrennung auf Irisch: Manchmal liegt eine kaputte Autotür auf der
       > Recycling-Tonne als sei es eine gigantische Getränkedose.
       
 (IMG) Bild: Zumindest der Strand soll sauber werden: Müllsammelaktion im Libanon im Juni
       
       Der Mann von der Müllabfuhr hatte schlechte Laune. Er hatte den Deckel
       meiner Recycling-Tonne hochgeklappt und deutete auf die Verpackung von
       Hühnerkeulen. „Weiches Plastik“, schnaubte er. „Das gehört nicht in diese
       Tonne.“ So weich sei das Plastik doch gar nicht, entgegnete ich lahm, aber
       er ließ das nicht gelten. „Die Plastikschale ist okay, aber nicht die dünne
       Folie, mit der sie abgedeckt war“, rief er.
       
       Ich solle das inkriminierte Material entfernen, sonst würde er die Tonne
       nicht leeren, drohte er. So warf ich die Verpackung in die Restmülltonne.
       Das war ihm auch nicht recht. „Die Schale muss in der grünen Tonne
       bleiben“, sagte er, „du hast sie doch hoffentlich gespült.“ Natürlich, log
       ich, sie sei im Geschirrspüler gewesen.
       
       „Du ahnst ja nicht, was die Leute alles in die Recycling-Tonne werfen“,
       meinte er. „Voriges Jahr habe ich ein komplettes Festessen in der Tonne
       gefunden“, behauptete er. „Truthahn, Röstkartoffeln, grüne Bohnen,
       Rosenkohl und Obstsalat. Selbst das Porzellangeschirr und die bunten
       Weihnachtshüte waren in der Tonne.“ Er habe an der Haustür geklingelt. „Der
       Hausherr brüllte, Weihnachten könne ihm gestohlen bleiben, es habe einen
       Streit gegeben, seine Frau sei noch am Weihnachtstag zu ihrer Mutter
       abgehauen, und die Kinder seien ausgewandert.“
       
       Manchmal finde man auch tote Haustiere in der Tonne, sagte er. „Einer
       meinte, man könne seine verstorbene Mieze im Zoo recyceln und sie an die
       Löwen verfüttern.“ Ein anderer habe seine kaputte Autotür auf die Tonne
       gelegt und behauptet, es sei doch so ähnlich wie eine gigantische
       Getränkedose.
       
       Billig ist die Müllabfuhr nicht, seit sie privatisiert wurde. Eigentlich
       sollte es wegen des Konkurrenzkampfes preiswerter werden, aber die
       Unternehmen haben die Reviere untereinander aufgeteilt und den Preis
       abgesprochen. Sie kassieren eine happige Grundgebühr, damit sie einen als
       Kunden überhaupt akzeptieren. Dann kassieren sie Miete für die Tonnen. Des
       Weiteren muss man eine Gebühr für jede Leerung entrichten. Und wenn das
       Gewicht die willkürlich festgelegte Obergrenze überschreitet, muss man
       nochmal etwas drauflegen, weil man gegen die „Fair Usage Policy“ verstoßen
       hat.
       
       Diese „Regel zur angemessenen Verwendung“ ist erfunden worden, um die
       Kundschaft noch besser schröpfen zu können. Ob Mobilfunkanbieter,
       Internetunternehmen oder eben die Müllabfuhr – alle werben mit einem
       niedrigen Pauschalpreis, der laut Kleingedrucktem aber nur dann gilt, wenn
       man den Dienst praktisch nicht in Anspruch nimmt.
       
       „Es ist ein schmutziges Geschäft“, grinste mein Müllmann, nachdem ich die
       Hühnerkeulenschale wieder in die grüne Tonne gelegt hatte. „Aber du lernst
       die Mülltrennung auch noch, wenn demnächst Geldstrafen für weiches Plastik
       in der falschen Tonne verhängt werden.“
       
       5 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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