# taz.de -- Verschwundener Kolumnist Khashoggi: Und niemand zeigt seine Beweise
       
       > Im Fall des saudischen Kolumnisten Jamal Khashoggi gibt es wenige
       > Gewissheiten und noch mehr Spekulationen – auch über mögliche geheime
       > Deals.
       
 (IMG) Bild: Was hinter der Tür des saudischen Konsulats in Istanbul geschehen ist, ist bislang unklar
       
       Kairo taz | Bisher gibt es im Fall des saudischen Kolumnisten der
       Washington Post, Jamal Khashoggi, nur eine Gewissheit: Er ist am 2. Oktober
       in das saudische Konsulat in Istanbul hineingegangen. Ab diesem Zeitpunkt
       gehen die Versionen auseinander. Türkische Sicherheitskreise streuen, dass
       Khashoggi im Konsulat gefoltert, brutal ermordet und dann zerstückelt in
       diplomatischen Fahrzeugen nach draußen gebracht wurde. Man sei im Besitz
       von Video- und Audiomaterial, das dies beweise. Saudi-Arabien seinerseits
       gibt zwar zu, dass Khashoggi im Konsulat war, behauptet aber, er habe
       dieses nach einer Stunde wieder verlassen.
       
       Nun gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: Die erste wäre, dass
       Saudi-Arabien die Wahrheit sagt. In diesem Fall stellt sich die Frage,
       warum die saudische Regierung dafür keinen Beweis vorlegt, beispielsweise
       ein Video, dass Khashoggi beim Verlassen des Konsulats zeigt, oder
       irgendeinen Hinweis wo er sich befindet.
       
       Die zweite Möglichkeit, und das ist die grausamste: Die türkischen Behörden
       sagen die Wahrheit. Dabei stellt sich aber die Frage, warum sie die Video-
       und Audio-Beweise, in deren Besitz sie angeblich sind, nicht
       veröffentlichen? Möglich ist, dass sie das nicht tun, weil dadurch deutlich
       würde, dass die türkischen Sicherheitsbehörden das Konsulat von innen
       technisch ausspionieren.
       
       Vielleicht kursiert in den türkischen Medien auch deswegen die Geschichte
       von Khashoggis Apple-Watch, die im Konsulat angeblich auf Aufnahme
       geschaltet war und die Informationen an Khashoggis iPhone weitergeleitet
       haben soll, das er bei seiner Verlobten außerhalb des Konsulats
       hinterlassen hatte.
       
       ## Ein Deal mit vielen Interessenten
       
       Die dritte Möglichkeit ist, dass die Türkei tatsächlich Beweise besitzt,
       diese aber nicht veröffentlicht, weil im Hintergrund ein Kuhhandel
       stattfindet. Saudi-Arabien ist bekannt dafür, durch eine Scheck-Diplomatie
       Probleme aus dem Weg zu räumen oder anderweitig vor allem wirtschaftlich
       Druck zu machen. In der Tat ist es nicht nachvollziehbar, warum die Türkei
       nun eine gemeinsame türkisch-saudische Untersuchung einfordert, sollte sie
       die ultimativen Beweise besitzen. Da tut sich der Verdacht auf, dass hier
       mehr im Hintergrund verhandelt als in der Öffentlichkeit untersucht werden
       soll.
       
       Donald Trump, Saudi-Arabiens wichtigster internationaler Verbündeter,
       posaunt in die Welt, dass Saudi-Arabien bestraft werden müsse, sollte sich
       der Vorwurf erhärten. Aber angesichts der multimilliarden-schweren
       Verwicklungen zwischen Saudi-Arabien, den USA und Europa könnte es durchaus
       im politischen und vor allem wirtschaftlichen Interesse der gleichen Länder
       sein, dass Saudi-Arabien am Ende nicht an den Pranger gestellt wird. Ein
       Deal hätte viele Interessenten.
       
       Da es aber gleichzeitig auch darum geht, international keinen wilden Westen
       entstehen zu lassen, in dem überall auf der Welt prominente Regimegegner
       brutal ermordet werden können, ist der Westen auch gezwungen, zumindest
       teilweise Flagge zu zeigen. Die USA und Großbritannien deuten an,
       möglicherweise eine große Investitionskonferenz in Saudi-Arabien zu
       boykottieren, die Ende dieses Monats stattfinden soll. Unter dem
       inoffiziellen Titel „Davos in der Wüste“ wolle der saudische Kronprinz
       Mohammed bin Salman dort internationale Unterstützung für sein
       wirtschaftliches Reformprogramm bekommen. Mehrere Sponsoren und große
       Medienunternehmen haben bereits abgesagt.
       
       Aus Saudi-Arabien selbst kommen naturgemäß wenig öffentliche Gegenstimmen
       zum Regime. Die innersaudische Diskussion findet vollkommen hinter
       verschlossenen Türen statt. Sollte sich die Ermordung Khashoggis durch
       saudische Agenten bewahrheiten, hätte das wahrscheinlich unmittelbare
       Folgen auf das saudische Machtgefüge und fiele zurück auf den starken Mann
       im Staat, den Kronprinzen Mohammed bin Salman.
       
       Der hat sich im eigenen Land in den letzten Jahren viele Feinde geschaffen,
       selbst unter den Prinzen der Familie Saud, von denen er einige wochenlang
       in das Luxushotel Ritz Carlton sperren ließ, bis sie Teile ihres legitim
       oder illegitim erwirtschafteten Vermögens überschrieben hatten. Da dürften
       jetzt einige in Saudi-Arabien im Aufwind des Falles Khashoggi die Messer
       wetzen.
       
       15 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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