# taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Kinder sollen nicht schön sein!
       
       > Menschen machen Eltern bizarre Komplimente zum Aussehen ihrer Kinder.
       > Machen Sie es besser – mit diesem einfachen Trick.
       
 (IMG) Bild: Außenwirkung: völlig wurscht
       
       Na, die Kleine wird aber noch viele Herzen brechen.“ Oder: „Oh, die wird
       aber so manchem den Kopf verdrehen.“
       
       Sie lasen: Komplimente aus der Hölle für Kinder.
       
       Ich hab beide schon gehört. Und mir jedes Mal gedacht: Was für ein bizarrer
       Quatsch. Warum sollte es ein erstrebenswertes Lebensziel sein, möglichst
       viele Herzen zu brechen? Wieso sollte man vielen Männern oder Frauen den
       Kopf verdrehen wollen, wenn man nicht Ringer ist oder mit illegalen Kämpfen
       sein Geld verdient (was dann allerdings wieder andere Fragen aufwirft)? Und
       warum spukt irgendwem überhaupt solch sexualisierte Konnotation im Kopf
       herum, wenn er oder sie ein kleines Kind sieht? Die wird aber so manchen
       scharf machen und dann … zwinker, zwinker … du weißt schon. Oder was?
       
       Selbst wenn wir mal annehmen, dass der Satz einfach nur einer aus der
       Bausatzgrabbelkiste ist, um auszudrücken, dass das Kind hübsch ist – denn
       viel anderes Lob kann man ja nicht verteilen an ein Wesen, das nicht
       sprechen kann, rumliegt, vielleicht ein bisschen krabbelt oder herumtapert,
       frisst, scheißt, schläft, Ende –, warum sagt man dann nicht einfach „Oh,
       wie hübsch“? Reicht doch. Lob für das Aussehen des eigenen Babys oder
       Kleinkinds nimmt eh kein Elternteil ernst.
       
       Und: Warum überhaupt aufs Aussehen abzielen? Ich verstehe auch nicht, warum
       so viele Eltern es toll finden, ihre Fünf- oder Sechsjährigen zu kleiden
       wie Minierwachsene. Die haben dann coole Sneaker an und Lederjacken und
       Jeans, die nicht vom Spielen, sondern vom Kinderarbeiter in Bangladesch
       zerschlissen wurden, und die Kleinen sehen aus, als seien sie gerade aus
       einem H & M-Katalog gefallen.
       
       ## Gummistiefel zur Unterhose
       
       Kinder sollen nicht schön sein. Kinder sollen Gummistiefel zu Unterhose
       tragen. Darüber vielleicht noch ein Unterhemd oder irgendwas anderes, was
       man sich später nicht mehr traut anzuziehen, weil man eben kein Kind mehr
       ist, sondern sich und die eigene Wirkung ständig hinterfragt.
       
       Solange es geht, sollen Kinder einfach Kinder sein. Diese Welt der
       Erwachsenen mit den Fragen, was man anzieht und wem man den Kopf verdreht
       und dieser ganze Quatsch, das kommt doch alles noch früh genug. Ich beneide
       Kinder darum, dass sie mit Jungs oder Mädels spielen, ohne sich zu fragen,
       wie sie auf den anderen oder die andere wirken.
       
       Wenn dann ein Großer oder eine Große kommt und fragt „Na, wollt ihr beide
       mal heiraten?“, würde ich am liebsten links und rechts ein paar ins
       Backpfeifengesicht verteilen. Tu ich natürlich nicht. Ich bin schließlich
       ein Mann des Friedens, der Kofi Annan der taz. Quasi.
       
       Wenn Sie doch meinen, ein Kleinkind irgendwie loben zu müssen, ein Tipp:
       Lassen Sie es. Die Kinder verstehen oder glauben es nicht. Und die Eltern
       sind weniger gerührt, als Sie denken. Machen Sie sich lieber ein bisschen
       zum Affen, das gefällt Kindern. Meistens. Und wenn Sie das Kind
       unterhalten, haben die anderen frei. Das gefällt den Eltern.
       
       4 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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