# taz.de -- Die Wahrheit: Endlich höhere Mieten!
       
       > Gentrifizierung positiv gesehen: Ungewöhnlich niedrige Mieten in Monaco
       > ähnlichen Stadtteilen wie Berlin-Kreuzberg sind einfach nur ungerecht.
       
       Unser Haus ist verkauft worden. Der neue Besitzer will alles noch schöner
       für uns machen: Aufzug, Balkon, Handtuchheizkörper – die gesamte
       Gentrifizierungspalette. Wir sind selbstverständlich dafür. Denn was gibt
       es Besseres, als an einem regnerischen Sonntagmorgen auf dem frisch
       angebauten Nordbalkon zu sitzen und den Hinterhofratten beim Müllfressen
       zuzuschauen?
       
       Weil uns die ungewöhnlich niedrige Miete eh aus Gerechtigkeitsgründen schon
       lange ein Dorn im Auge ist, haben wir dem neuen Besitzer weitere
       Modernisierungs- und Verschönerungsmaßnahmen vorgeschlagen. Ich träume seit
       dem letzten New-York-Aufenthalt von einer dunkelgrünen Markise, die von
       unserer Haustür über den Bürgersteig bis zur Straße geht und auf der
       weithin sichtbar unsere Adresse prangt – oder, nur aus Spaß, eine andere:
       „500 Park Avenue“ etwa. Damit könnte man sicher eine Mieterhöhung von
       achtzig Prozent herausholen, die Park Avenue ist schließlich eine piekfeine
       Gegend, (noch) viel teurer als Kreuzberg!
       
       Ferner habe ich dem neuen Besitzer vorgeschlagen, „Sky Dancer“ auf dem Dach
       anzubringen, farbig bedruckte Röhren aus dünnem Polyester, die von einem
       Gebläse angetrieben werden, den ganzen Tag lustig hin und her flattern und
       sonst meist vor Autohäusern stehen. Ich habe angeregt, sie bei der nächsten
       Kündigungswelle nach den verbliebenen Mietern zu formen und die Gebläse so
       zu verkabeln, dass man sie von der eigenen Wohnung aus an- und ausschalten
       kann. Wenn mein Mann morgens aufsteht, kann er direkt seinen Sky Dancer
       anknipsen, damit tout Kreuzberg am besoffenen Hin- und Herwanken des
       Grinsemännchens sieht, dass er wach ist.
       
       Moment, das Baby aus dem zweiten Stock wurde ja auch schon angeknipst – der
       kleine Sky Dancer wankt ebenfalls! Daneben wackelt etwas müder die
       Vaterröhre. Später fällt das schwule Sky-Dancer-Pärchen aus dem Dritten in
       den Dach-Reigen ein. Diese Schelme haben ihren Röhren nicht nur Arme,
       sondern auch riesige aufblasbare Pimmel verpasst.
       
       Das macht unserem neuen Besitzer überhaupt gar nichts aus, er ist tolerant
       und will, dass unser Haus Diversity repräsentiert: unterschiedliche
       Menschen aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft, die allein der Wille
       eint, 32 Euro pro Quadratmeter ihrer Mietwohnung zu zahlen. Bislang zahlen
       das nur die Mieter in den fertigsanierten Hinterhauswohnungen, wir zahlen
       immer noch knapp elf Euro. Das kann ja so nicht weitergehen!
       
       Außerdem möchte ich den neuen Besitzer überreden, das Terrain um den Baum
       vor unserem Haus als „Garten“ mit in die Wohnungsbeschreibung zu nehmen. Es
       ist nicht viel Arbeit, die paar Kubikmeter Müll und die Hundekacke
       wegzuschaufeln. Wenn man das schafft, sieht es bei uns in Kreuzberg aus wie
       in Monaco. Dementsprechende Preise sind somit gerechtfertigt.
       
       5 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
       
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