# taz.de -- Daniel Küblböck im Porträt: Ein Künstler, was sonst?
       
       > Daniel Küblböck war kein feines Mitglied des höheren Kulturtums – und
       > doch ein nicht genug wertgeschätztes Megatalent. Er wird vermisst.
       
 (IMG) Bild: Küblböck war eine Popfigur, die erste moderne deutsche im Künstlertum dieses Jahrhunderts
       
       Sein Stern sinkt schon wieder: Mittwoch waren bei „[1][Brisant]“ und
       „[2][Leute heute]“, den für Millionen entscheidenden Nachrichtensendungen
       der öffentlich-rechtlichen Medien, die ersten Daniel-Küblböck-losen Tage in
       dieser Woche. Ein Hitlergruß einer nordrhein-westfälischen
       Fußballamateurmannschaft war neben Berichten zur Querschnittslähmung der
       Radsportlerin Kristina Vogel und der Premiere eines Til-Schweiger-Films
       wichtiger.
       
       In den Tagen zuvor war jedoch das Schicksal, wenn man es denn so nennen
       möchte, des seit fast anderthalb Jahrzehnten sehr berühmten Bayern Daniel
       Küblböck wichtiger, es beschäftigte die Sendungen mehr als alles andere:
       Dass der 33jährige Mann bei einer Kreuzfahrt von Europa nach New York vor
       der Küste Kanadas von Bord fiel, höchstwahrscheinlich fallen wollte.
       
       Zum Nachrichtenstand lässt sich dies sagen: Suchaktionen blieben erfolglos,
       in der kalten See wird ein Überleben des Mannes für höchst unwahrscheinlich
       gehalten. Für tot erklärt worden ist er noch nicht – das geht erst, wenn
       sein Körper gefunden sein wird. [3][Nach dem Verschollenheitsgesetz – das
       gibt es wirklich!] – kann Daniel Küblböck nach sechs Monaten offiziell für
       tot erklärt werden. Hoffnung, dass er doch überlebt, womöglich in einem
       Rettungsboot, das vom Himmel herabgefahren sein könnte, können nicht
       überliefert werden.
       
       Dass die Geschichte um einen Mann, der über Bord geht, starkes öffentliches
       Interesse findet, versteht sich fast von selbst: Über Medien aufbereitete
       Erzählungen von Menschen, die aus dem Leben anderer verschwinden und von
       denen keine Gründe bekannt sind, weshalb sie sich selbst nichtig machen
       wollen, gab es immer. Aber Daniel Küblböck war ein besonders lohnendes
       Objekt, dieses, sein Narrativ neuerlich in die Gemüter von Millionen zu
       träufeln.
       
       ## Knuddelbär und Hassobjekt
       
       Küblböck – das war der Teenager, [4][der 2002 bei RTL in Dieter Bohlens
       „Deutschland sucht den Superstar“ performte;] der nicht gewann, aber als
       einziger der Kandidaten es tatsächlich zur Prominenz brachte. Und das mit
       einem kulturellen Vermögen, das, gemessen an den Ansprüchen der Hochkultur,
       ungefähr gegen null geht. Er war aber das Idol der niederen Stände, jener,
       für die eine Show wie 3Sat-Kulturzeit nicht gemacht ist – dafür war er eine
       Zeit lang der Knuddelbär aller und Hassobjekt nicht minder, die auch
       mühselig und beladen durchs Leben gehen, ohne eine Chance zu haben, dies
       habituell ins Diskurstopcheckerfach zu tragen.
       
       Küblböck, das war ein Dauerscheitern an den Normen des Anstands und der
       kulturellen Konsumfähigkeit. Ein Außenseiter, der darum wusste, dass er zum
       Fremdschämen einlud. Der Schwäche zeigte, ja, sie zum Markenzeichen
       entwickelte. Ein Misfit, ein Freak, ein Mann mit begrenzter
       Überlebensfähigkeit, wie man inzwischen weiß, ein Outcast.
       
       Was aber Küblböck konnte, war, die Kunst der Authentizität in eigener Sache
       zu zelebrieren. Und wie! Er konnte ergreifend weinen, öffentlich; er war
       betroffen, worum auch immer, ebenso öffentlich; er sang nie besonders gut,
       auch nicht, als er mal, eine Zeit dort Darling des sogenannten Line-ups
       (der Künstlerliste der Sendung) im [5][„ZDF-Fernsehgarten“ war, er tanzte
       nicht besonders geschickt] – und war und blieb ganz und gar nicht das, was
       klassisch als Figur im Künstlertum verstanden wird, sich also in eine
       andere Person anverwandeln zu können.
       
       ## Identifikationsfigur allerbester Qualität
       
       Daniel Küblböck war ein Mensch, der die stete Entblößung, das performative
       daueröffentliche Dasein als Basis seiner ästhetischen Angebote vorzuweisen
       hatte: ein Echter, ein Wahrer, kein Blender. Das, was wir sahen, war
       Küblböck selbst, kein anderer als solcher. Sein Ich war der Inhalt, nicht
       sein Anderes.
       
       Insofern war er eine Identifikationsfigur allerbester Qualität – zum Lieben
       und Hassen zugleich: Küblböck zeigte im Kern eine Art Hobby-Karaoke in
       vielen Disziplinen, vor allem in den darstellenden Künsten. Andere, die
       diese Übung bei Geburtstagspartys als Jokes vorführen lassen, wissen um das
       eigene Unvermögen, etwa einen Titel von Phil Collins zu singen. Küblböck
       aber machte das öffentlich, bei „Deutschland sucht den Superstar“.
       
       Er war das Nichttalent, das sich trotzdem nicht in sein Geschick fügen
       sollte – der junge Mann hatte einfach keine Chance grundsätzlich, als er
       mit seinem Ritt ins Scheinwerferlicht begann. Hauptschule, schwierige
       Familienverhältnisse, viel innerer Raum, um von einer besseren, glamourösen
       Welt zu träumen: So einen gab es vorher nicht. So einen, der seine
       Hoffnungen mit Tatendrang lustvoll in Szene setzte.
       
       Anja Rützel hat ihn in ihrem Nachruf auf Spiegel Online präzise
       charakterisiert: „[6][Der größte aller Träumer]“ genannt. Und Revue
       passieren, welchen schrillen, definitiv unmöglichen Karriereweg Küblböck
       ging: Schauspiel und viele Genrewechsel im Pop – sogar, was für ein
       entsetzliches Missverständnis, mit Country hat er es probiert. Dass die
       Bild-Zeitung die Story Küblböcks prominent wie keinen anderen Stoff in
       dieser Woche präsentiert, versteht sich für dieses Blatt, die ewige Chronik
       der Zukurzgekommenen und Empörungsbereiten, von allein.
       
       ## „Schlecht verbrämte Homophobie“
       
       Alle Fragen, die man in Sachen Küblböck hatte oder auch nicht hatte, werden
       gestellt: Ja, wo ist denn eigentlich seine Adoptivmutter? Was sagt der
       Leiter der Schauspielschule, die Küblböck besuchte? Und auch in dieser
       Woche die kühne These, [7][Küblböck habe seinen Tod wie ein Theaterstück
       geplant.]
       
       [8][In der Zeit würdigt deren Literaturkritiker Ijoma Mangold] Daniel
       Küblböck, den Künstler. Er schreibt über ihn: „Die Öffentlichkeit einigte
       sich auf den Begriff ‚schräg‘, aber das war erkennbar ein Deckbegriff, denn
       sie ahnte, dass sie mit allen anderen Begriffen in Teufels Küche käme.
       Hinter der Genervtheit, die Küblböcks charismatische Penetranz hervorrief,
       versteckte sich auch schlecht verbrämte Homophobie. Das alles musste der
       Begriff ‚schräg‘ abdecken.“
       
       Eine aufgeklärte Öffentlichkeit, für die sich die sogenannten
       Qualitätsmedien im Vergleich mit der Bild-Zeitung halten, könnte in Daniel
       Küblböck die livehaftige Verkörperung der antipolitischen Echtheitsideale
       erkennen. Sie verachtete ihn stattdessen überwiegend, in einem Text in der
       taz war auf der Satireseite nun nachrufend von seinem „letzten Fall“ die
       Rede. Bräsiger hätte Dünkel und Verachtung kaum formuliert werden.
       
       Küblböck war eine Popfigur, die erste moderne deutsche im Künstlertum
       dieses Jahrhunderts. Er hat alles gegeben vom Wenigen, das ihm als Talent
       mitgegeben war. Seine Familie, seine Angehörigen haben zu verkraften, dass
       sie nicht genau wissen, womöglich es nie tun werden, was aus ihm geworden
       ist.
       
       ## Auf Wiedervorlage
       
       Selbstverständlich ist das Thema „Küblböck“ nicht gestorben. Es gibt ja
       noch wahnsinnig viele Verhandlungsgegenstände des Diskurses des Pop, die
       sich an diesem Künstler abarbeiten lassen: Warum er offenbar gern Kleider
       trug; wer für das Mobbing an der Schauspielschule verantwortlich war;
       weshalb er es nie mit einer Bewerbung an der Volksbühne probieren wollte;
       wieso einer wie Claus Peymann auf ihn als Besetzungslösung für viele Rollen
       kam; und aus welchen Gründen wollte ihn eigentlich nicht das
       Maxim-Gorki-Theater inkludieren; und auch, warum in Daniel Küblböck alle
       Kulturschnösel nur Trash, nicht ästhetisch glaubwürdige Aspekte
       zeitgenössisch hochaktueller Trostlosigkeit erkennen mochte.
       
       Die öffentlich-rechtlichen Nachrichtenmagazine werden das Thema ebenso
       wenig vergessen wie die Bild-Zeitung. In einem halben Jahr, wenn Küblböck
       offiziell für tot erklärt werden kann – spätestens dann ist er als
       Medienthema auf Wiedervorlage.
       
       13 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mdr.de/brisant/buendelgruppe1896_multiGroupBoxIndex-0_zc-2f06ce29.html
 (DIR) [2] https://www.zdf.de/nachrichten/leute-heute/leute-heute-vom-12-september-2018-100.html
 (DIR) [3] https://www.gesetze-im-internet.de/verschg/BJNR011860939.html
 (DIR) [4] https://www.youtube.com/watch?v=ooTLiGeeP8c
 (DIR) [5] https://www.youtube.com/watch?v=iOKmZSvL-Ng
 (DIR) [6] http://www.spiegel.de/kultur/tv/daniel-kueblboeck-der-groesste-aller-traeumer-a-1227674.html
 (DIR) [7] https://www.bild.de/unterhaltung/leute/leute/daniel-kueblboeck-plante-seinen-tod-wie-ein-theaterstueck-57197102.bild.html
 (DIR) [8] https://www.zeit.de/2018/38/daniel-kueblboeck-reality-tv-verschwinden
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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 (DIR) RTL
       
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